»Men & Chicken« ab 2.7.2015 im Kino!

Men & Chicken/Mænd og HønsDa klappt die Kinnlade runter

»Men & Chicken« von Anders Thomas Jensen

Eines lässt sich über Anders Thomas Jensens »Men & Chicken« mit Gewissheit sagen: Solch einen Film hat man noch nicht gesehen. Schon viele Regisseure haben sich auf die Suche nach dem Animalischen im Menschen gemacht, aber kein Film dürfte dem Thema auf derart skurrile Weise so nahe gekommen sein. Jensen ist eine Zentralfigur im dänischen Kino und weitaus wichtiger als der gewiefte PR-Künstler Lars von Trier.

Als Drehbuchautor hat er in den letzten fünfzehn Jahren von dem Dogma-Film »Mifune« bis hin zu dem Spätwestern »Salvation« seine kreative Vielfalt unter Beweis gestellt. Zusammen mit der Regisseurin Susanne Bier zeichnet er mit Werken wie »Brüder«, »Nach der Hochzeit« und dem Oscar-Gewinner »In einer besseren Welt« für einige der eindringlichsten Dramen des dänischen Kinos verantwortlich. In seinen eigenen  Regiearbeiten »Dänische Delikatessen« und »Adams Äpfel« bewegte sich Jensen jedoch immer auf den Terrain der tiefschwarzen Komödie. »Men & Chicken« setzt diese Tradition fort und stellt zwei eigenwillige Brüder ins Zentrum der Geschichte. Gabriel ist ein ruhiger, zivilisierter Mann, der an der Universität Evolutionspsychologie unterrichtet. Sein Bruder Elias ist mehr der grobschlächtige Typ, der in den Tag hinein lebt und immer wieder zur manuellen Triebabfuhr auf die Toilette oder hinter einem Busch verschwinden muss. Gemeinsam ist beiden eigentlich nur die Hasenscharte, die ihr Gesicht verunziert. Nach dem Tod des Vaters erfahren die Brüder per Videobotschaft, dass sie adoptiert wurden und ihr biologischer Erzeuger auf einer abgelegenen Insel lebt. Und so machen sich Gabriel und Elias auf, um ihre Familiengeschichte zu erkunden. In einem heruntergekommenen Gutshof erwarten die beiden drei weitere Brüder mit Hasenscharte, deren gewalttätigen Neigungen die Gäste gleich zur Begrüßung zu spüren bekommen. Das Haus ist vollkommen verwahrlost. Hühner staksen durch die Zimmer. Allerhand Kleinvieh auf den Fluren und ein riesiger Stier im Stall, zu dem sich Elias besonders hingezogen fühlt. Die Männerwirtschaft leidet unter Frauenmangel, der mithilfe der Haustiere kompensiert wird. Während Elias sich schnell in die animalische Bruderschaft integriert, versucht Gabriel den wilden Kerlen die Grundregeln der menschlichen Zivilisation nahezubringen und stößt bei seinen Ahnenforschungen auf äußerst ungewöhnliche genetische Verbindungen. Mit viel Freude am grotesken Detail inszeniert Jensen sein schräges Familiendrama, in dem fünf Brüder auf eine etwas befremdliche Identitätssuche geschickt werden. Mit heruntergeklappter Kinnlade schaut man dem triebhaften Treiben der Hasenschartengang zu, die das Tier im Manne auf ganz eigene Weise in sich tragen. Wer will, kann über das Skurrilum hinaus hier auch wahlweise ein humorvolles Statement gegen gesellschaftlichen Konformismus oder die unabsehbaren Folgen der Gentechnik sehen – aber so bierernst möchte dieses tierische Spektakel vielleicht gar nicht genommen werden.

Martin Schwickert
MEN & CHICKEN (Mænd & høns)
von Anders Thomas Jensen, DK/D 2015, 104 Min.
mit Mads Mikkelsen, Nikolaj Lie Kaas,
Søren Malling
Schwarze Komödie
Start: 02.07.2015

 

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