Meckern auf tiefem Niveau (101)

Eigentlich gibt es ja viel zu meckern in diesem vergangenen Monat Juli. Klar, da war dieses Eventwochenende in Hamburg, wo zwanzig wichtige Menschen mit ein paar weniger wichtigen, begleitet von ein paar tausend Sherpas, ihre Wichtigkeit auch mal so richtig zelebrieren wollten. Was die eigentlich gemacht haben, blieb der weniger interessierten Öffentlichkeit allerdings weitgehend verborgen, was einem lange vorbereitetem Räuber-und-Gendarm-Spiel geschuldet war. Vermummte dunkel gewandete Menschen rannten durch Hamburger Gassen hintereinander her, manchmal aufeinander zu, bewarfen sich mit Steinen, Flaschen, bösen Worten, schlugen mit Stöcken, spritzten mit verflüssigtem Pfeffer. Die einen meinten, mit dem Abfackeln am Straßenrand geparkter Autos es dem kapitalistischen Schweinesystem mal so richtig gezeigt zu haben, dafür verhauten dann die anderen irgendwelche herumstehenden Leute, weil sie die Abfackler nicht zu fassen gekriegt haben. Aber über diese Geschichten ist ja schon aus verschiedenen Perspektivenen schwer gemeckert worden, da erspar ich mir das. Obwohl, eine kurze Randbemerkung kann ich mir nicht verkneifen: wie da der empörungspolitische Sprecher der CDU, Bosbach, seinen theatralischen Abgang aus Maischbergers Talkshow inszenierte, war schon bemerkenswert. Sicher, Jutta Dittfurth kann schon manchmal nerven, aber in dieser Sendung war sie ja gar nicht richtig zu radikalökologischer Höchstform aufgelaufen, so dass der Verdacht nicht von der Hand zu weisen ist, dass sich Herr Bosbach schon vor der Sendung die Dramaturgie seines Abgangs ausgedacht hat. Hätte er der Moderatorin aber ruhig vorher verraten können, dann hätte die nicht so überhastet unprofessionell reagiert, indem sie Frau Dittfurth gleich auch noch rausschmeißen wollte. Sei’s drum, hat sich ja später dafür auch entschuldigt.

Nein, wirklich meckern muss ich jetzt mal über jenen Menschen von dieser ProSiebenSatEinsirgendwas-Sendergruppe, der via FASonntagszeitung die Erkenntnis verbreitete, seine Sender erfüllten gegenüber der jüngeren Fernsehgeneration den Bildungsauftrag, den das Bundesverfassungsgericht eigentlich den öffentlich-rechtlichen Anstalten zugeschrieben hatte. Und da das bildungshungrige Fernsehvolk der Unter-Dreißigjährigen ausführlichst und bestens von den Privaten bedient wird, ist denn auch die Forderung, diesen jugendaffinen Bildungssendern einen Teil der Fernsehzwangsgebühren zukommen zu lassen, in den Augen des Pro7-Chefs nur allzu gerechtfertigt. Na ja, mal abgesehen davon, dass die von ihm beweissichernd angeführte Zielgruppe sich informationsmäßig zunehmend ins Internet verlagert hat und mittlerweile Fatzebook für ein seriöses Nachrichtenmedium hält, ist die Erfüllung des Bildungsauftrags durch ProSiebenSatEinsRTLusw. doch zumindest mit einem Fragezeichen zu versehen. Dass bei der auf Pro7 um 18 Uhr ausgestrahlten zehnminütigen News Time der Fernseher nicht ausgeschaltet ist, hat ja womöglich was mit den beliebten Serien »Bigbang-Theory« und den »Simpsons« zu tun, die den Nachrichtblock umrahmen. Und ob die werktäglich ausgestrahlten Dokusoaps, also die gespielten Berichte aus dem Alltag von Kliniken, Polizeistreifen, Gerichtsvollziehern, Hartz4-Familien, Bauern mit und ohne Frau den Bildungshunger tatsächlich befriedigen können, kann man durchaus als fragwürdig bezeichnen.

Und die Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen, sich zusätzlich zu den Gebühren auch noch am Werbekuchen zu bedienen, ist zumindest inhaltlich nicht ganz nachvollziehbar: wo sonst, wenn nicht in ARDZDF kann denn für Medikamente gegen Blasenschwäche geworben werden? Doch nicht im Jugendnachrichtensender Pro7. Und an der eigenen Gebührenschraube basteln die Privaten ja dank DVB-T2 auch schon erfolgreich.

Und das nächste Mal meckere ich dann auch wieder über die Öffentlich-Rechtlichen.

Jochen Vielhauer

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