Kunsthalle Schirn zeigt nur noch bis zum 18. September »Pioniere des Comic«

Hat Salvador Dali nur abgemalt?

Wilhelm Busch war out, und Tarzan-Comics musste man sich in den 60er-Jahren beim Nachbarjungen leihen, das galt als Schmutz und Schund. Erlaubt waren in gut bürgerlichen Kinderzimmern höchstens »Fix und Foxi« und, natürlich, Walt Disneys »Micky Maus«. Später erfuhr man, dass Bildergeschichten in Belgien und Frankreich eine ganz andere kulturelle Wertschätzung erhielten. Und in den frühen 80ern erwachte mit der (japanischen) Verfilmung von »Little Nemo« eine Comicfigur zu neuem Leben, die ihren Ursprung im US-amerikanischen Massenmedium Zeitung um die vorletzte Jahrhundertwende hatte. Genau hier setzt die Ausstellung »Pioniere des Comic. Eine andere Avantgarde« in der Kunsthalle Schirn an. Von 1905 an füllten – über viele Jahre – die (Alb)träume des kleinen Niemand eine ganze Seite der Sonntagsausgabe der New York Herald. Sein Schöpfer, Winsor McCay, gibt die Bilderwelt auf Nemos Weg ins Schlummerland (Slumberland) wunderbar verzerrt wieder. Ganz so, wie Gespenster oder Figuren eben im Traum erscheinen: in die Länge gezogen, in die Breite gequetscht – und Gottseidank erwacht Little Nemo im letzten Bild jedes Mal aus seinem Traum. Expressionistische und surreale Elemente nimmt McCay vorweg – Salvador Dali ist gerade mal ein Jahr alt! Auch einer der ersten Zeichentrickfilme stammt – lange vor Disney – von McCay: »Gertie the Dinosaurier«, zauberhaft!
Irgendwie bekannt kommt einem auch die Figur des Naughty Pete vor (sie erinnert zeichnerisch ein wenig an die späteren deutschen Vater-und-Sohn-Geschichten von e. o. plauen). Charles Forbell hat den ungezogenen Bengel 1913 in der Nachfolge von McCay erfunden. Die anarchischen Streiche des kleinen Pete enden, »erzieherisch wertvoll«, immer mit der Einsicht in die väterlichen Weisheit »I guess Pop was right!«. War das zu brav? Die Serie lief jedenfalls nur ein Jahr.
Fast psychedelisch angehaucht wirkt dagegen die »Polly«- Serie von Cliff Sterret, die immerhin von 1912 – 1950 lief. George Herrimans »Krazy Kat and Ignaz Mouse« (Bild oben) erscheinen wie Vorläufer von Tom und Jerry (1940), und Frank Kings Langzeitcomic „Gasoline Alley“ erzählt die Geschichte von Skeezix, einem Findelbaby, in Echtzeit von 1919 bis 1959 – die erste Soap, wenn man so will. Der Verleger und Medien-Tycoon William Randolph Hearst – Vorbild für Orson Welles Filmklassiker »Citizen Kane« – muss gewusst haben, was er an seinen Zeichnern hatte, die er zum Teil fürstlich entlohnte.
Weniger glanzvoll erging es einem für uns aus anderen Zusammenhängen alten Bekannten: Lyonel Feininger. Bevor er zu hohen Kunst konvertierte, erschienen von ihm in der Chicago Sunday Tribune die zumindest dem Namen nach bekannten Geschichten der »The Kin-der-Kids« (2006) und »Wee Willy Winkie‘s World«, allerdings nur ein halbes Jahr lang. Immerhin taucht hier zum ersten Mal ein Robotermännchen als Kinderfreund auf, Japanski aus Japan natürlich!
Die Schirn-Exponate sind, neben Entwürfen und Skizzen – Original-Zeitungsseiten, soweit man das von einer Millionenauflage sagen kann, naturgemäß etwas vergilbt und brüchig. Wie gut, dass es auch Privatleute gibt, die so etwas aufgehoben haben und diese ergötzliche und nicht mehr lange laufende Ausstellung ermöglichen, die durchaus auch dazu anregt, die Tom-touchés von der taz-Wahrheitsseite aufzuheben. Englischkenntnisse sind von Vorteil. Eine kompetente Führung empfiehlt sich.   

Katrin Swoboda (Foto: © George Herrimas)
Bis 18. September: Di. – So. 10 – 19 Uhr; Mi., Do. bis 22 Uhr
www.schirn.de

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