Kategorisch (122)

Bob Dylan hat den Literaturnobelpreis bekommen. Das ist schön. Und er hat natürlich jeden Preis verdient. Inklusive des Friedensnobelpreises. Womöglich freut er sich sogar. Vielleicht ist er auch ein bißchen angepisst. Er glaubt ja, er sei ein Singer/Songwriter. Man könnte versucht sein, ihm darin recht zu geben. Wenn das so ist, hat das Nobelpreiskomitee ihm für seine Musik und seinen Vortrag in den Arsch getreten. Sie sind nicht preiswürdig. (»Man denke nur an die gräßliche Mundharmonika und die krächzende Stimme.«) Nur seine Texte werden als Literatur gehandelt. Was sich ja versteht. Bisher jedenfalls. Nächstes Jahr bekommt vielleicht die schönste Twitternachricht – 140 Byte reinste Poesie – den Literatur- oder irgendeinen anderen Nobelpreis. Auch wenn Poesie nicht exakt Literatur ist. Sie besteht – wie jene immerhin aus Buchstaben. Demnach kann alles, was aus Buchstaben besteht, den Literaturnobelpreis bekommen. Wie die feurige Rede von Harold Pinter gegen Blair und Bush, für die er den Literaturnobelpreis bekam, und die ebenfalls Buchstaben benutzte. Auch Frau Jelinek und Herr Fo verwendeten Buchstaben, mit denen sie zur Freude des Establishments selbiges anpissten. Oder der chinesische Dissident, der für seine Dissidenzen Buchstaben benutzte, um Sätze zu verfassen, die bezeugten, dass er auf der richtigen Seite steht. Sogar der von den Wallonen überarbeitete CETA-Text könnte preiswürdig sein, wenn er auf der richtigen Seite steht. Also da, wo das Nobelpreiskomitee sich befindet, und damit meine ich alle Nobelpreiskomitees. Auch die, die damals verhinderten, dass Graham Greene den Preis bekam, denn er war zu katholisch, was ja die unbedingt falsche Seite ist. Bis heute jedenfalls. Denn Papst Franziskus steht endlich auf der richtigen Seite des Fortschritts. Er hat was gegen Kapitalismus – und nur noch wenig gegen Homos (vom Vögeln mal abgesehen). Es ist denkbar, dass er für seine nächste Enzyklika den Preis bekommt, selbst wenn drin steht, der Koran und der Talmud müssten endlich fusionieren, was sicher von McKinsey unterstützt wird. Schon wegen »breiter aufstellen« und »Globalisierung« und so. Beide Bücher haben schließlich dieselben Wurzeln, und sie bestehen ganz und gar aus Buchstaben.
Selbst die Komiteemitglieder stehen auf der richtigen Seite, die heute verhinderten, dass Philip Roth den Preis bekam – seine Buchstaben sind schließlich sexualisiert und latent frauenfeindlich und somit ganz ganz falsch.
Um Kategorienprobleme zu vermeiden, könnte das Nobelpreiskomitee (ein Verein von Leuten zwischen 60 und 70, die verdienstvollerweise die Idole ihrer Jugend auszeichnen) einen Preis »Idole unserer Jugend« oder einen »Gute Typen Award« etablieren. Oder den Friedensnobelpreis umwidmen, schon damit er nicht in die Hände der FARC gerät. Der norwegischen Arbeiterpartei ist schließlich alles zuzutrauen.

Kurt Otterbacher

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