Kammeroper Frankfurt präsentiert Giuseppe Verdis Oper »Macbeth«

Die Queen legt die Psyche bloß

Macbeth am Schauspiel, am Mainzer Staatstheater, im Kino und im Grüneburgpark (11./12.8.), und selbst die Schülergruppe des English Theatre findet im Drama um den schottischen Königsmörder und seine teuflische Gattin ihr Thema. Es ist also durchaus ›en vogue‹, wenn die Frankfurter Kammeroper die gleichwohl selten gespielte Verdi-Oper – wie immer auf Deutsch – jetzt im Palmengarten auspackt. Vielleicht auch, weil es darin allein um das Böse geht und um seine schicksalhafte Konsequenz. Die bis auf einen schwarz umhängten Quader, der sich später als Riesenthron entpuppt, weithin leere Bühne des Musikpavillons hat der Frankfurter Künstler Mateo Vilagrasa dieses Mal mit einer Installation von Augenpaaren bestückt, die deutlich machen, dass es kein Entrinnen geben kann. Und niemandem nichts entgeht.
Das muss unter diesen allgegenwärtigen Blicken auch Lady Macbeth einsehen. Zum Ausklang der hausfraulich-prosaisch mit »dieser Flecken« anhebenden großen Schlafwandelszene, die eher einen Monolog als eine Arie beschreibt, weiß die auch spielerisch sehr präsente blonde Sopranistin Verena Barth sogar eine Nilgans zu erregen. Es braucht dann schon das Wunder der wandelnden Wälder von Birnam, bis sich das postmigrantische Geflügel beruhigt.
Verdis literarische Oper kommt nicht nur ohne Liebe, sondern auch weitgehend ohne schöne Arien aus. Der Komponist selbst hat für sein 1847 uraufgeführtes Werk und insbesondere für die Lady ›sotto voce‹, sprich: gedämpfte, erstickte Stimme, instruiert, um das Somnambule ihres Tuns zu unterstreichen. Anders als bei Shakespeare, der Macbeth ein gehöriges Maß Initiative  belässt, wenn er proaktiv die von Hexen prophezeiten Karrierepfad zur Krone Schottlands mit Leichen pflastert, weist das Libretto der Oper der machtlüsterne Feldherrngattin die Haupt-, wenn nicht gar die alleinige Verantwortung für das Gemetzel zu. Verdi lässt Lady Macbeth sogar – selbst ist die Frau – zum Messer greifen, um die Wächter von König Duncan zu beseitigen. Und nachgerade göttlich ist Barths Auftritt, als sie Macbeth beim Rapport von seinem zweiten Hexenbesuch mit ungeduldigem »Weiter, weiter« antreibt. Der Rest der Handlung, vom Bankett mit Banquos Geist, dem Verdi viele andere beigesellt, bis hin zum finalen Duell mit Macduff, ist Wahnsinn – und hat auch Methode.
Regisseur Rainer Pudenz hat sichtlich Freude daran, für den entscheidungsschwachen Titelhelden, den Thomas Peter gibt, die passenden Posen und Szenen zu finden. Dazu gehört der Thron, der viele Nummern zu groß für ihn ausfällt. Und dazu gehört auch die mit Handtäschchen auftretende  Queen als Übermutter, die Macbeth nach dem Tod der Gattin wie diese zuvor das (ach so) geprüfte Haupt streichelt.  Da mutet es fast paradox an, dass ausgerechnet Peters starker Bariton mit Bravo-Rufen bedacht wird.
Von den tragenden Stimmen ist seine die einzig vertraute im weitgehend neuen Ensemble an einem lauschigen Premierenabend. Und wahrlich nicht die einzige, zu der sich der Leiter des Ensembles beglückwünschen kann, wozu neben Barth, neben Marco Antonio Locano (Macduff), Thomas Führ (Banquo) und Eric Lenke (Diener) vor allem das Spiel des Orchesters unter Leitung von Clemens Mohr beiträgt. Der junge, elegant agierende Dirigent, der sich mit dem hier erprobten Kollegen Florian Erdl bei dieser gewiss nicht einfachen Aufgabe abwechseln wird, erhält verdient den stärksten Applaus. Große Szenen hat der Chor (Leiter: Armin Rothermel) immer dann, wenn er geschlossen ertönt, prachtvoll bunt feiernd beim Bankett, in Lumpen geknechtet zu »Armes Schottland«  (Kostüme: Margarete Berghoff). Getrennt in Hexen und Räuber, hätte man sich jeweils etwas mehr Volumen, sprich Teilnehmer gewünscht. Den Charme der Kammeroper macht freilich erst perfekt, dass es auch enthusiastische Laien in ihren Reihen gibt.

Winnie Geipert (Foto: © Isabel Eisler)
Termine: 3., 5., 6., 10., 12., 13. August, jeweils 19.30 Uhr
www.kammeroper-frankfurt.de

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