Jugend-Kultur-Kirche Sankt Peter:
»Ein Fremder im Bus«

© Jugend-Kultur-Kirche Sankt PeterWie hältst du‘s mit der Religion?

Heißt das Spiel nicht »Fluss überqueren«, bei dem man auf einem Klotz steht und nur vorwärts kommt, wenn man einen zweiten vor sich legt und besteigt, um den ersten nachzuholen? Die fünf Darsteller von »Ein Fremder im Bus« bewegen sich zum Auftakt auf diese Weise mit sechs kniehohen Pappkartons raupenähnlich in die Mitte der Parkettbühne – was eine ziemlich unsichere Angelegenheit ist. Im Grund ist das genauso wackelig, wie das Thema, dem Elliot (Ayling), Nikolas (Etzel), Mahfam (Nozhatshoar), Katharina (Vollmer) und Simon (Zere) an diesem Abend nachgehen. Dem Glauben. Und allem, was damit wohl zusammenhängt. Einen sicheren Stand hat dabei – ein feste Burg hin oder her – wohl niemand.
Die Gretchenfrage an Faust –Wie hältst du‘s mit der Religion? – wird auch gestellt, doch nimmt das Quintett alle fünf großen Weltreligionen ins Visier. Dabei gehen die Spieler ganz  untheologisch vor. Wie naive, unbedarfte Touristen, aber auch pragmatisch wie Mitarbeiter von der Stiftung Warentest. Welche Religion passt zu mir? Was macht sie mit mir? Und bei welcher gibt es was zu essen? Das kippt manchmal ins Alberne ab, verliert aber nie die Aufrichtigkeit. Mahfam beispielsweise sucht hinter einem Wandschirm in einem bewegenden Selbstgespräch danach, unter welchen Bedingungen sie sich als Frau selbstbestimmt bewegen kann – und weiß zumindest schon mal, was sie nicht will.
Der so multikulturelle wie multireligiöse kleine Trupp aus Schülern, Studenten und Azubis hat auf seiner Recherche Gottesdienste und Gotteshäuser, Moscheen und Synagogen besucht und Pfarrer wie Imame, Gurus wie Rabbis, Buddhisten wie Baptisten, aber auch Atheisten, gesprochen, und deshalb eine ganze Menge zu erzählen. Sina Dotzert, die wir aus den Landungsbrücken und der Theaterperipherie kennen, gibt mit »Ein Fremder im Bus« ihr Regiedebüt. Sie zeichnet mit der Dramaturgin Hannah Schassner und dem Ensemble auch für die Textfassung dieser »Stückentwicklung« verantwortlich, deren Titel an den Song »One of Us« von Joan Osbourne anlehnt, der Gott als Mitmensch (respektive Mitfahrer im Bus) suggeriert. Weltweit vertraute Kinderspiele, wie die »Reise nach Jerusalem« oder »Schnick, Schnack, Schnuck«, bilden das Scharnier und das Vehikel eines Abends, an dem es mit viel Witz und großer Spielfreude um die letzten, oder auch ersten großen Fragen geht. Dass sowas mit dieser Thematik in einem Jugendtheater (wieder) funktioniert, ist allerhand.

gt
Termine:  9., 10. September, 19.30 Uhr (sowie 1., 4. Oktober)

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