Die Stunde der Patrioten (52)

Flagge zeigen ist angesagt in den Tagen fliegender, rollender und manchesmal auch ruhender Bälle. Geht ja gar nicht, meinen die Jung-Grünen der dazugehörigen Bundespartei. Also jener Partei, die das weltweite Zeigen schwarz-rot-goldener Oberarm-Flägglein in diversen Krisen- und Kriegsgebieten mitverantwortlich wieder salonfähig gemacht hat. Geht doch, halten die hessischen Jung-Grünen dagegen. Also jenes Landesverbandes, der schon immer im Verdacht stand, der Realpolitik immer und überall Tür und Tor zu öffnen. Und der ja auch den Außenminister hervorgebracht hat, dem die erst inner- und später dann außerparteilichen fundamentalistischen Kritiker Kriegstreiberei unterstellten. Ist das freudige, manchmal auch stolze Zeigen deutscher Nationalfarben in Form von Flaggen, Autofähnchen, Rückspiegelkapuzen, auf Wangen gemalt, als hawaiianische Blumenkettchen um den Hals gelegt nun die endgültige Rückkehr des weltzerstörenden deutschen Nationalismus? Oder zumindest die Kopie eines von den Amerikanern abgekupferten unkritischen und ideologisch durchaus bedenklichen Patriotismus? Auch Frankfurter Antifa-Grüppchen sahen beim EM-Spiel gegen Griechenland die Wiedergeburt des »Deutschland, Deutschland über alles in der Welt« und jubelten folgerichtig beim kurzzeitigen hellenischen Ausgleichstreffer. Daß dabei ganz kräftig die blau-weiße Hellenen-Flagge geschwenkt wurde, störte sie allerdings nicht. Das ist schließlich multikulturell, zeigt internationale Solidarität mit dem durch deutsche Eurospritzen gebeutelten griechischen Volk. Jenem Volk, das als Wiege der Demokratie durchaus die eine oder andere Kriegstat in ihren Geschichtsbüchern verewigte.

Und wie wurden am Folgetag in Frankfurt bei der traditionellen »Parade der Kulturen« des Frankfurter Jugendrings die nationalflaggenschwenkenden Gruppen aus aller Herren (und wohl auch Damen) Länder beklatscht. Viele, viele waren vertreten, auch aus solchen Ländern, deren demokratische Grundhaltung in den Heimatstaaten sicherlich zu bedenklichem Kopfschütteln Anlaß geben kann. Und doch bewiesen die Flaggen, die bunten Kostüme, die lebendigen Tänze und die Musik die Freude am und den Stolz auf das eigene Land. Es fehlte allerdings die deutsche Flagge. Deutsche Volkstänze mit dazugehörigem volkstümlichen Notenwerk auf der Gass wären demgegenüber sicherlich nicht als multikulturelle Bereicherung empfunden worden. Lediglich am Stand der Grünen (sic!) fand sich verschämt im Hintergrund ein schwarz-rot-güldenes Fähnlein. Und das auch nur, weil dort an einem Tischkicker die Europameisterschaft nachgespielt wurde. Und da ließ sich die deutsche Beteiligung natürlich nicht ganz verschweigen.

Wo waren im Übrigen die aufrechten Kämpen gegen deutsches Fahnenwerk und für Frieden, Demokratie und Freiheit in der Ukraine? Es waren zwei grüne Europapolitiker, die Flagge zeigten – immerhin. Aber vielleicht waren sie ja alle in den Stadien und hielten Protestplakate hoch. Plakate, die womöglich der Zensur des europäischen Fußballverbandes zum Opfer gefallen waren? Die UEFA hat nämlich dafür gesorgt, daß die Live-Übertragungen der Spiele so gar nicht live waren: immer schön zeitversetzt um ca. 20 Sekunden, um mögliche Störungen und politische Protestaktionen herausschneiden zu können. Ein aus dem US-amerikanischen Fernsehen bei Talkshows bekannterweise angewandtes Verfahren, um das F-Wort und ähnlich gelagerte unamerikanische Aussagen durch Pfeiftöne ersetzen zu können (wenn denn überhaupt live gesendet wird). Nur am Rande: auch die neue Fernsehtechnik relativiert das Wort Live-Übertragung. Das digitale Sendesignal hinkt dem guten, alten analogen ca. eine Sekunde hinterher und wer sich ein Fußballspiel dann noch via Telekom-Entertain ins Wohnzimmer bringen läßt, sieht ein Tor erst, wenn in der Nachbarschaft schon frenetischer Jubel ausgebrochen ist. Zurück in die Zukunft.

Jochen Vielhauer

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