Jane Gardam schließt ihre erfolgreiche Trilogie »Letzte Freunde«

In Deutschland spät entdeckt

»Federleichte Meisterschaft« wird ihr nachgesagt. Ian McEwan zählt ihr Werk zu den »großen Schätzen der englischen Gegenwartsliteratur«. Und bei uns landete jedes ihr drei Bücher auf den vorderen Plätzen der SPIEGEL-Bestsellerliste. Woher kommt dieser Erfolg? Die Protagonisten ihrer Bücher sind tot. Die Welt, in der sie lebten, gibt es nicht mehr. Der Blick geht zurück. Die Stimmung, die den Brexit hervorbrachte, ist eben nicht nur in England verbreitet.

Genau vor einem Jahr wurde Jane Gardam, inzwischen stolze 88 Jahre alt, in Deutschland schlagartig bekannt geworden und auf Anhieb erfolgreich, allerdings erst mit den letzten drei ihrer vielen Bücher: »Ein untadeliger Mann«. Darauf folgte im Frühjahr »Eine treue Frau« (siehe Strandgut 5/2016), jetzt der dritte Band »Letzte Freunde«. Alle drei Bücher beschreiben die komplizierte (Liebes-)Geschichte von zwei Männern und einer Frau. In jedem Band wird einer der drei Protagonisten in den Mittelpunkt gerückt. Es beginnt mit
Edward Feathers, einem erfolgreichen Anwalt, einem Mann »ohne Fehl und Tadel«. Im zweiten Band steht die Frau, Elizabeth Macintosh, später Feathers, im Zentrum. Der dritte Band schließlich beschreibt das Leben von Terence Veneering, dem Erzrivalen von Edward und Geliebten von Elizabeth. Veneering wird 1927 in dem kleinen Ort Herringfleet im Osten Englands geboren. Seine Mutter zieht tagtäglich mit einem Karren durch den Ort und verkauft Kohlen. Der Vater, ein Seiltänzer aus Odessa, holt sich ausgerechnet in diesem Kaff einen Schaden an der Wirbelsäule und liegt seitdem, arbeitsunfähig, die meiste Zeit im Bett. Also nicht eben die besten Startchancen für ein Kind. Aber Terry wird früh unabhängig. Schon als 12-Jähriger weiß er, »die Eltern lebten ihr Leben. Er lebte sein eigenes.« Zudem ist er, trotz dieser Herkunft, ein Glückskind. »Groß, blond, schlagfertig, sportlich« und auch außergewöhnlich intelligent. Er bekommt ein Stipendium für eine Privatschule. Deren Schüler sollen, während der deutschen Bombardements von Südengland, um diesen Gefahren zu entgehen, nach Kanada evakuiert werden. Kurz bevor das Schiff ablegt, schleicht sich Terry von Bord und kehrt nach Hause zurück. Das Schiff wird kurz darauf von deutschen Torpedos versenkt. Und während er noch auf dem Heimweg ist, wird Herringfleet bombardiert, seine Eltern kommen dabei ums Leben. Nach Abschluss der Schule erhält Terry ein Stipendium in Oxford. Dort trifft er zum ersten Mal auf seinen späteren Erzrivalen Edward Feathers. Von Anfang an empfinden die beiden eine herzhaft tiefe Abneigung gegeneinander. Nicht nur, weil sie sich als Jahrgangsbeste beim Juraexamen den Titel teilen müssen oder »als glänzende Juristen des Empire« »brillante Gegner in zahllosen Prozessen« sind, sondern weil sie zu allem Überfluss auch dieselbe Frau lieben. Doch nicht der leidenschaftliche, außergewöhnliche, interessante Veneering, ein »Siegertyp«, sondern der aufrichtige, zuverlässige, eben »untadelige«, aber dadurch auch ziemlich hausbackene Feathers wird sich dabei durchsetzen. Auch das dritte Buch »Letzte Freunde« erhält seine Dynamik durch ständig wechselnde Zeiten, Vor- und Rückblenden. Gardam liefert uns die Mosaikstückchen, die wir brauchen, um diese dreibändige Dreiecksgeschichte in all ihren Facetten zu verstehen. Englischer Humor, eine fast liebevolle Ironie, einige überraschende Wendungen und eine Reihe von dramatischen Ereignissen – so könnte man das Erfolgsrezept der alten Dame beschreiben. Nur reicht das aus, um Jane Gardams Erfolg wirklich zu erklären?

Sigrid Lüdke-Haertel
Jane Gardam: Letzte Freunde. Roman.
Aus dem Englischen von Isabell Bogdan.
Berlin: Verlag Hanser, 2016, 239 S.,
22 Euro

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