Hyde Park am Hudson (Start: 28.2.2013)

Hyde Park am Hudson (Start: 28.2.2013)Alles Formsache

»Hyde Park am Hudson« von Roger Michell

War Präsident Franklin D. Roosevelt ein schlimmer Finger à la Bill Clinton? In der satirischen Historienkomödie »Hyde Park am Hudson« plaudert eine Vertraute aus dem Nähkästchen. Auch King George VI wundert sich über die Yankees.

Im Juni 1939 besuchen der britische König George VI und seine Gemahlin Elizabeth den US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt. Die Stippvisite im Städtchen Rhinebeck bei New York auf Roosevelts Anwesen, genannt Hyde Park on Hudson, markiert einen historischen Moment – nicht nur, weil es sich um den ersten Staatsbesuch eines britischen Monarchen in der einstigen, abtrünnigen Kolonie handelt. Der König muß die USA dazu bewegen, an der Seite Großbritanniens in den von Hitler angezettelten Krieg einzutreten, obwohl die Amerikaner, die kaum ihre Wirtschaftskrise überwunden haben, dazu wenig Lust verspüren. Der König als Bittsteller bei den Amerikanern: eine knifflige Situation, die sich jedoch in Wohlgefallen auflöst.

Die Details sind belegt durch die Aufzeichnungen von Margaret »Daisy« Suckley, Roosevelts Kusine 6. Grades, seiner Vertrauten – und Geliebten? Der preisgekrönte Drehbuchautor Richard Nelson hat sich, inspiriert von Suckleys, nach ihrem Tod gefundenen Notizen, vielleicht ein paar Freiheiten zuviel genommen. Die zweigleisige Handlung erzählt, aus Daisys Sicht, ihre Beziehung zu Roosevelt und, aus des Königs Sicht, das Treffen mit Roosevelt. Der Mini-Culture Clash zwischen zugeknöpftem Adel und hemdsärmeligen Yankees ist amüsant, besonders, wenn es um die Formalien geht und das gestreßte Königspaar die verunglückten Versionen des Hofknickses mit ansehen muß. Doch der stotternde Monarch und der im Rollstuhl sitzende Präsident bilden ein ulkiges Paar. Höhepunkt der Annäherung ist ein Hot Dog, in den der König, unter Blitzlichtgewitter, beißen muß. »Bertie« zum zweiten: nach »The King‘s Speech« bekommt der Monarch abermals eine liebenswürdige Hommage gewidmet.

Gleiches gilt leider nicht für Daisy, die an diesem Wochenende ihre Illusionen über den Präsidenten verlieren muß. Bill Murray verkörpert ihn als eulenspiegelhaften Schwerenöter, gebenedeit unter den Weibern. Er steht unter der Fuchtel seiner imposanten Mutter, seine unkonventionelle Gattin Eleanor hat »Freundinnen«, dann gibt es noch eine Sekretärin. Die altjüngferliche Daisy dagegen dient als Begleiterin privater Landpartien, wird von Roosevelt zu sexuellen Handlungen gebracht – und merkt, daß sie nicht die einzige ist. Große Herzenspein!

Neben einem glänzend aufgelegten Bill Murray gibt die hervorragende Laura Linney dem Beziehungszirkus den letzten Schwung. Da man über Roosevelts Entourage fast nichts erfährt, ist sie nur in Zusammenhang mit dem Präsidenten interessant. Doch Mr. President scheint, statt Weltgeschichte zu schreiben, vorrangig damit beschäftigt, seinen Harem zu managen und Bertie väterlich auf die Schulter zu klopfen. So widmet sich der Film zumeist dem Tratsch und Klatsch (der, glaubt man Geoffrey C. Ward, dem Herausgeber von Daisys Notizen, hoch spekulativ ist). Vor die Wahl zwischen der Realität und einer süffigen Geschichte über Roosevelt als schlimmer Finger gestellt, bevorzugt Regisseur Roger Michell (»Notting Hill«) die Geschichte.

Birgit Roschy

 

HYDE PARK AM HUDSON
(Hyde Park on Hudson)
von Roger Michell, GB 2012, 94 Min., mit Bill Murray, Laura Linney, Samuel West, Olivia Colman, Elizabeth Marvel, Olivia Williams
Komödie
Start: 28.02.2013

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