Hollywood, Babylon (136)

Man stelle sich vor, die Rolling Stones hätten ein Massenverfahren gegen all die Groupies angestrengt, denen sie zu Dienste sein mussten – nicht nur ihr Ruf als Sexsymbole, ja der der gesamten Sex, Drugs und Rock‘n Roll Branche hätte damals Schaden genommen. Die Stones, allen voran Mick Jagger, mußten wirklich hart arbeiten. Dass dies für die Stones nicht allzu berauschend war – kündet nicht der Song »I Can‘t Get No – Satisfaction« davon? Eine tragische Geschichte, die schon so manch rollenden Penis – sie setzen bekanntlich kein Moos an – arg in Mitleidenschaft gezogen hat. Kein Wunder, dass die Abteilung Drugs immer wichtiger wurde – Sister Morphine und Brown Sugar statt Loving Spoonful und Small Faces – und kein Wunder, dass so viele Rock‘n Roller dabei drauf gegangen sind. Ein Wunder hingegen, dass die Stones, ledrig und zerknittert, immer noch auf der Bühne stehen.
Ledrig und zerknittert, fast mumifiziert, ist auch Robert Redford, dem ich schon seine Krähenfüße übel genommen habe. Krähenfüße und Orangenhaut sind was für Frauen – aber doch nicht für Sundance Kid – selbst wenn der Film (»Ich hatte einmal eine Farm in Afrika« – grandioser erster Satz) ausgesprochen gut war. Die Freundin, mit der ich den Film gesehen hatte, meinte, die Krähenfüße stünden ihm gut, reiner Widerspruchsgeist natürlich – und einer wie Redford könne jedenfalls keine sexuelle Belästigung begehen – es wäre eine Ehre für jede Frau, ihm zu Willen zu sein. Paul Newman wäre ihr allerdings lieber. Später reihte sie dann noch Johnny Depp ein.
Stefanie Powers – man kennt sie aus »Hart aber herzlich« – war für mich, was für meine Freundin Robert Redford war. Dass sie jemanden sexuell belästigen könnte, wäre mir nicht im Traum eingefallen. Trotzdem hat man es ihr vorgeworfen – »Entertainment Weekly« mußte gar ihre Ehre verteidigen. Gehen wir in der Filmgeschichte zurück, stoßen wir – neben vielen anderen – auf Ann Margret und Cybill Shepherd, wirklich scharfe Luder, und noch früher auf Grace Kelly, von der es hieß: She always laid the leading man. Ein großes erotisches Talent, das leider vom Fürstentum Monaco vernichtet wurde. Gott hab sie selig. Die ungekrönte Königin aber war Greta Garbo. Sie hielt Sex für einen Gesundbrunnen, glaubte, man kann das nachlesen, dass Sperma gut für die Haut sei.
Dass Harvey Weinstein Frauen genötigt hat, ihm beim Masturbieren zuzusehen, ist schon schlimm genug, dass er Gewalt angewendet hat, ein absolutes NoGo. Ein Blick in den Spiegel sollte ihm zumal den Unterschied zu Redford offenbart haben.
Aber Kevin Spacey: gegen den liegt bisher nur vor, daß er Baggerkönig war und allzeit auf der Pirsch. Unbestritten ist er ein großartiger und verdienstvoller Schauspieler – ohne ihn dürfte »House of Cards« Übleres blühen als »Two and a Half Men« ohne Charlie Sheen. Spacey ist reich, berühmt und angenehm anzusehen – die Annahme, dass seine Avancen womöglich erwünscht seien, also nicht allzu weit hergeholt. Den Mann bei lebendigem Leib zu rösten, seinen Ruf ein für allemal zu vernichten, ihm Berufsverbot zu erteilen, ihn aus bereits gedrehten Filmen wieder rauszuschneiden, ihn einer sensationslüsternen und selbstgerechten Medien-Öffentlichkeit zum Fraß vorzuwerfen – das kommt mir doch etwas übertrieben vor.

Kurt Otterbacher

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