Hitchcock (Start: 14.3.2013)

HitchcockBlondinen bevorzugt

»Hitchcock« von Sacha Gervasi

 

Alfred Hitchcock wurde mit »Psycho« zum Prinzipal des Schreckens in einer Zeit, in der das Horrorgenre nicht besonders populär war. Mit seiner biografischen Ausschnittvergrößerung »Hitchcock« reist Regisseur Sasha Gervasi nach einem Buch von Stephen Rebello zurück zu dem Wendepunkt in Hitchcocks Karriere. Aber sein Film ist mehr als ein nachgereichtes »Making Of«.

Als die »Times« eine Liste der »New Masters of Suspense« veröffentlicht, fragt Alfred Hitchcock (Anthony Hopkins) seine Frau Alma Reville (Helen Mirren) etwas echauffiert: »Warum suchen sie nach neuen Meistern, wenn der alte immer noch da ist?« Man schreibt das Jahr 1959. Hitchcock hat soeben mit »Der unsichtbare Dritte« (North by Northwest) einen enormen kommerziellen Erfolg gelandet und verspürt gerade deshalb das Bedürfnis, sich als Filmemacher noch einmal neu zu positionieren. Ihm fällt Robert Blochs Buch über das Leben und Wirken des Serienmörders Ed Gein in die Hände, und er ist sich sicher, dass er hier einen neuen provokanten Filmstoff gefunden hat. »Ist das die Geschichte von dem Schwulen, der in den Kleidern seiner Mutter die Leute umbringt?« fragt der Studioboss Barney Balaban (Richard Portnow) und verweigert die Finanzierung, so dass Hitchcock eine Hypothek auf Haus und Pool aufnehmen muss, um »Psycho« zu realisieren.

Heute weiß man, dass sich das Risiko gelohnt hat. An den Kassen wurde »Psycho« 1960 zu Hitchcocks größten kommerziellen Erfolg, er gehört immer noch unbestritten zu den Meilensteinen der Kinogeschichte, dessen Bilder der Angst sich tief ins filmische Gedächtnis eingebrannt haben.

Sacha Gervasis Film beleuchtet vor allem auch die Beziehung zwischen Alfred und seiner Ehefrau, die die wichtigste kreative Partnerin des legendären Regisseurs war. Mit der Arbeit an »Psycho« gerät auch die Ehe in eine Krise. Nicht nur weil Hitchcock hier sein ganzes Vermögen in die Waagschale wirft, sondern auch weil er mit einer Leidenschaft in den Stoff eintaucht, die eine zunehmende emotionale Abschottung zur Folge hat. Hinzu kommt die Obsession des Meisters für die Blondinen, die seine Filme bevölkern. In seinem Büro hat er ein Guckloch in der Wand, durch das er direkt in die Garderobe seiner Hauptdarstellerin spähen kann. Als Alma sich einem befreundeten Drehbuchautor zuzuwenden scheint und Hitchcock im Schneideraum mit dem schwierigen Material kämpft, kulminiert die Krise. Ähnlich wie kürzlich »My Week with Marilyn« versucht auch »Hitchcock« ein Stück Filmgeschichte zu revitalisieren. Dabei eröffnet die eheliche Perspektive durchaus neue Aspekte, auch wenn man dem Film anmerkt, dass er etwas zu gewollt von der Krise zum lebensgemeinschaftlichen Happy End navigiert. Mit Anthony Hopkins, der mit Fettpolstern und Gesichtsprothesen kaum wiederzuerkennen ist, und Helen Mirren treten zwei hochkarätige Matchpartner vor die Kamera, aber auch in den Nebenfigurenensemble kann der Film mit Scarlett Johansson als Janet Leigh und James D’Arcy in der Rolle des Anthony Perkins überzeugen. Als filmhistorisches Schmankerl kann man sich »Hitchcock« gut ansehen, aber der analytische Blick auf eine der wichtigsten und interessantesten Figuren in der Geschichte des Kinos fällt hier längst nicht so scharfsinnig aus, wie es ein Mann von seinem Format verdient hätte.

Martin Schwickert

 

HITCHCOCK
von Sacha Gervasi, USA 2012, 98 Min.
mit Anthony Hopkins, Helen Mirren, Scarlett Johansson, Danny Huston, Toni Collette, Jessica Biel
nach einem Buch von Stephen Rebello
Biographie
Start: 14.03.2013

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert