Hessisches Staatsballett: »Aufwind«

© Jerome BruleyZauberhaft von A nach B

Hessisches Staatsballett startet mit dem dreiteiligen Abend »Aufwind«

»Aufwind« – das ist ein programmatischer, doch auch gewagter Titel für den Start des nun Mainz und Wiesbaden vereinenden Hessischen Staatsballetts. Schließlich haben über viele Jahre hinweg Stephan Thoss in Wiesbaden und Mei Hong Lin in Darmstadt erstklassiges Ballett und Tanztheater gezeigt.
Unter der Leitung von Tim Plegge formieren sich 28 Tänzer und Tänzerinnen neu zu einem internationalen Ensemble. Etwa die Hälfte davon tanzte vorher schon in Darmstadt oder Wiesbaden, insgesamt 26 waren nun beteiligt. Dass der neue Ballettdirektor über eigene Arbeiten hinaus ein breites Spektrum von Tanz entwickeln will, macht schon die Premiere von »Aufwind« in Darmstadt deutlich, wo gleich drei Choreografen einen Einblick in ihr höchst unterschiedliches Schaffen geben.  
Mit »Vom Anfang« thematisiert Tim Plegge die Situation des Neubeginns und findet dafür schöne Bilder. Immer wieder formieren sich die Tänzer neu. Tanzen Soli, Pas de Deux oder in der Gruppe. Wollen einerseits fest stehen und doch auch abheben. Und genau diese Momente zwischen Fliegen und dem Am-Boden-Haften setzt diese Choreografie in Bewegung um.
Der Amerikaner Richard Siegal, Ex-Mitglied von Ballett Frankfurt, schafft ein Kunstwerk aus elektronischer Musik, Lichttechnologie und Ballett. Auffälligstes Detail seiner Choreografie »Liedgut« ist eine Lichtinstallation, die als LED-Fläche den Raum bestimmt und diesen immer wieder neu gestaltet. Unter, neben und teils auch mit dieser Fläche wird getanzt. Die Tänzer tragen anfangs weiße, später schwarze Bodys mit Lackanmutung und die Tänzerinnen Spitzenschuhe (während in den anderen Choreografien schon das Schuhwerk deutlich auf unsere Zeit verweist). Siegal gelingt es, das Bewegungsmaterial der klassischen Schule ins 21. Jahrhundert zu transportieren, eine wahrhaft elektrisierende Choreografie mit der Musik von Atom TM.
Den dreiteiligen Abend schließt »Left Right Left Right«, das Alexander Ekmans schon 2012 für das Nederlands Dans Theater geschaffen hat. Dabei treibt ihn die einfache Frage, wie der Mensch von A nach B kommt, auf die er als Antwort wunderbare Bewegungsabläufe findet. Geschickt eingeblendet wird ein Video, das die Tänzer mit diesen Bewegungen in den Städten Darmstadt und Wiesbaden zeigt – skurril, witzig, fantastisch. Am Ende steht dann das Laufen auf Laufbändern. Erst kontrolliert und fast im militärischen Gleichschritt, später immer mehr aufgelockert. Ist wunderbar anzusehen – doch nicht zur Nachahmung im Fitness-Studio empfohlen.
Unterm Strich: drei sehr unterschiedliche Choreografien, die den Zuschauer immer wieder fordern und das Versprechen auf Vielfalt eindrücklich dokumentieren. Diesem Anfang wohnt ein Zauber inne, den man in späteren Arbeiten wiederfinden möchte.

Walter H. Krämer
Termine in Wiesbaden: 15., 21., 26., 29. November, jeweils 19.30 Uhr
www.hessisches-staatsballett.de

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