Gallus Theater: Ensemble 9. November zeigt »Die Uneinholbarkeit der Verfolgten«

Dem Ewigen Juden auf der Spur

Der Mythos vom durch die Zeiten wandernden »Ewigen Juden« basiert auf der Begegnung des kreuzbeladenen Jesus mit dem Schuster Ahashver, der dem Leidenden auf der Via Dolorosa eine Rast an seinem Haus verweigerte: »Ich will stehen und ruhen, du aber wirst gehen«, soll ihm Jesus nach der im Mittelalter entstandenen Legende prophezeit haben. In der Literatur wurde die metaphorische Figur aber erst im 17. Jahrhundert fixiert und dann in vielfacher Weise aufgegriffen, bis hin zum NS-Propagandafilm von 1940.
Das Ensemble 9. November geht im Gallus Theater das Thema des Verfolgtseins unabhängig vom religiösen Kontext an. »Die Unheilholbarkeit des Verfolgten« titelt das zur Premiere stehende Stück, dem die gleichlautende literaturwissenschaftliche Abhandlung von Mona Körte zugrunde liegt, Tochter der E9N-Co-Chefin Helen Körte. Versehen ist es mit dem Zusatz »Eine Legende der Literatur – von allen Künsten gejagt«. Regie und Konzept verantwortet Wilfried Fiebig.
Wie immer, wenn der bildende Künstler und Professor der HfG Offenbach Produktionen des E9N übernimmt, dürfte es auf der Bühne nicht nur gesamtkünstlerisch, sondern auch höchst dialektisch und theoriefundiert zugehen. Schon die kleine Ankündigung des Stückes ist mehr ein Teil der Inszenierung, als dienliche Einführung für die anstehende Dramatisierung. Dass Fiebig dort die Katastrophen der Verfolgung als Folge von Naturkatastrophen proklamiert, lässt sich indes schnell über Assoziationen etwa zu Heinrich von Kleists »Erdbeben von Chili« und anderen historischen Schuldzuweisungen gegen Minderheiten nachvollziehen.
Fiebigs künstlerische Abhandlung indes greift neben Johann Wolfgang Goethes »Wilhelm Meister«, mit Robert Maturins »Melmoth, der Wanderer« und Gustav Meyrinks »Das grüne Gesicht« zwei literarische Werke auf, die zwar nicht zwingend zum Kanon der Allgemeinbildung gehören, aber doch als einflussreich im Kontext der schwarzen Romantik gelten. Das Exzerpt dieser zusammen weit mehr als 2.000 Leseseiten umfassenden drei Romane fokussiert die mythisch-poetischen Figuren des Harfners und der Mignon, des Melmoth und der Inderin sowie des Juden Chidher Grün. Dass auch der ägyptische Phönix aus der Asche und Jean Paul Sartres »Geschlossene Gesellschaft« ihren Platz finden sollen, lässt denn auch eher ein expressives Gemälde oder eine theatrale Komposition erwarten, als eine narrative Perspektive.
Dazu wir der gesamt Liederzyklus aus »Wilhelm Meister« zu hören sein, live vorgetragen von Bernadette Schäfer und Sophie Wenzel, begleitet von Katrin Brecht auf der Violine und am Piano von Theodor Köhler, der überdies eigene Kompositionen beisteuert. Den darstellerischen Part bestreiten Sebastian Huther, Verenija Dick und der Tänzer Damaso Mendez, während Wilfried Fiebig die Elemente seines Gesamtkunstwerks mit seinen Bühnen- und Kostüminstallationen ästhetisch verknüpft.

gt (Foto: © Jörg Langhorst)
Termine 19., 20., 21. April, jeweils 20 Uhr, 22. April ,18 Uhr
www.e9n.de

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