Frühlings-Erwachen

Kaum deuten erste Farben in der Natur ringsum zaghaft den ersehnten Frühling an, da sprießen bereits mit vollem Elan die Jahresprogramme der Konzert- und Opernveranstalter für die im Herbst beginnende Saison 2017/18 aus dem Boden. Sie drängen uns gewissermaßen eine rasche Vergänglichkeit auf, die auch vor der Kultur nicht haltmacht: »atemlos« durch die Jahreszeiten. Nun denn – wir picken ein paar besondere Brösel aus der Saat der Veranstaltungen heraus, damit rechtzeitig geplant werden kann.

Da feiert beispielsweise die aus dem Caecilienverein hervorgegangene, renommierte Thomaskantorei in Heddernheim am 4. Mai ihr 40-jähriges Bestehen mit einem Festkonzert in der St. Thomas Kirche. Selbstverständlich mit einer Motette des (Leipziger) Thomaskantors Johann Sebastian Bach (»Jesu, meine Freude«), ergänzt mit Johann Hermann Schein (»Das ist meine Freude«). Und als eine Preziose des sog. Meininger Bach, Johann Ludwig, die Motette »Dennoch bleib ich stets an Dir«. Johann Ludwig Bach, nicht verschwägert und verschwistert mit dem ›one and only‹, war an der Meininger Hofkapelle als Kapellmeister tätig und steht, wie auch viele Söhne des Johann Sebastian, in dessen übermächtigem Schatten.
Für den 26.11., 18 Uhr, haben sich die Thomaskantorei und die Kammerphilharmonie Frankfurt zum Ewigkeitssonntag Großes vorgenommen: Johannes Brahms‘ »Deutsches Requiem« im Kontext mit der tiefschwarzen Kammersinfonie von Dimitri Schostakowitsch, einer genialen Orchesterfassung des 8. Streichquartetts durch den großen russischen Dirigenten und Schostakowitsch-Freund Rudolf Barschai.
Infos, Jahresprogramm und  Karten: www.thomaskantorei.de

Auch der hr hat sein umfangreiches Programm für die nächste Saison vorgestellt, wobei insbesondere die thematischen Konzerte im hr-Sendesaal neugierig machen. Die Abo-Konzerte in der Alten Oper bieten, wie stets, zwar populäre Namen und als Artist in Residence den großartigen Bratschisten Antoine Tamestit (hier nicht mehr unbekannt) – die Programmgestaltung allerdings scheint mir doch etwas beliebig.
Die Saisoneröffnung ist traditionsgemäß wieder im Rahmen des Rheingau Musikfestivals im Kloster Eberbach am 23./24.6. Chefdirigent Andrés Orozco-Estrada stellt
Hector Berlioz´ Sinfonie »Harold en Italie« (mit obligater Viola) der Messa di Gloria von Giacomo Puccini gegenüber. Italienischen Ursprungs beides, naja …
Das mittlerweile Kult gewordene Open-Air-Event am 24.8. vor der EZB (und diesmal in Zusammenarbeit mit ihr als sog. Europa-Konzert angekündigt) wird vom jungen Pablo Heras-Casado geleitet, der bereits vielfach Furore mit Schubert und Mendelssohn-Aufführungen gemacht hat. Er bringt publikumswirksame Kompositionen von Ravel, de Falla (Nächte in spanischen  Gärten), Rimski-Korsakoff und den Zarzuela-Komponisten Gimenez unter (hoffentlich) einem klaren Sternenhimmel der Mainmetropole zum Klingen. In der Alten Oper ist Ehrendirigent Paavo Järvi mal wieder zu Gast für die Begleitung des Cellisten Mischa Maisky mit Tschaikowskis virtuosen Rokoko-Variationen und dem jüdischen »Kol Nidrei« von Max Bruch. Dazu die selten gespielte 4. Sinfonie des Österreichers Franz Schmidt, komponiert auf den Tod seiner Tochter, quasi ein Requiem (26./27.4.). »Multiversum Mozart« betitelt Peter Eötvös seinen Abend: ein »Dialog mit Mozart« und eine Komposition für 2 Orgeln und Orchester von Eötvös (8.2.18) drehen und wenden sich um das Salzburger Genie.
 
Wie gesagt: Die eigentlichen Highlights  finden sich in den thematischen Konzerten im hr-Sendesaal. Beispielsweise »Postcards from Heaven« (15.9.) nach einer Komposition von John Cage für 1–20 Harfen (!), im Kontext mit einem Werk der gefeierten Finnin Kaija Saariaho und einer Auftragskomposition von Gordon Kampe (Spione für Orchester plus so viele Harfen wie möglich). Dazu als Dessert die 6. Sinfonie von Jean Sibelius (O-Ton des Meisters: »reines Quellwasser«).
Oder eine »Nacht der Mayas« mit Werken von Carlos Chaves, Edouard Lalo und Revueltas (8./9.3.18)  mit der jungen mexikanischen Dirigentin Alondra de la Parra am Pult, die schon mit 24 Jahren mit einer Orchestergründung in New York Furore gemacht hat und seither rund um den Globus unterwegs ist. Auch der Dirigent und Komponist Matthias Pintscher ist wieder Gast im hr-Sendesaal mit den berühmten »Voci« (Folklore Songs) und der »Sinfonia« von Luciano Berio (9.2.18), gemeinsam mit  Antoine Tamestit.

Das ganze Programm (auch mit den Kammermusikangeboten, Forum N,  Auswärtskonzerten u.v.m.) sowie Karten beim hr-Ticketcenter, Tel. 069/155-2000 oder www.hr-online.de.

Bernd Havenstein
Foto: Andrés Orozco-Estrada – Music Director of the Frankfurt Radio Symphony
© hr/Werner Kmetitsch

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