Freies Schauspiel Ensemble zeigt »Der Weg zum Glück«

Keine Atempause. Es geht voran

Seltsame Töne im Titania: »Gesund und fit durch Bewegung«. So etwas liest man sonst in der »Apotheken Umschau«. Hat der Darsteller diesen allgegenwärtigen Optimierungsratschlag vielleicht zu wörtlich genommen? Jedenfalls hört er auf seinem monologischen »Weg zum Glück« im gleichnamigen Stück von Ingrid Lausund gar nicht mehr auf zu laufen.
Doch dieser Dauer-Lauf führt schwerlich zum Ziel, ist er doch mit Stolperfallen jeglicher Art, natürlich auch mit guten Vor- und Ansätzen, »gepflastert«. Kein Gedanke, kein Satz, keine Situation kommt zu einem Ende, alles, alles fängt immer wieder von vorne an, sei es die Begrüßung, die Party, der Einkauf, der Kneipenbesuch, die Arbeit. Das »Ich Ich Ich« geht dabei fast vor die Hunde. Und das gibt – inszeniert von Jürgen Beck-Rebholz vom Freien Schauspiel Ensemble – zu denken:
Denn nicht nur der einsame Läufer (bewundernswert: Markus Gläser) stolpert immer wieder über die eigenen Füße, auch der Zuschauer fragt sich nach einiger Zeit: Was stellt sich uns denn eigentlich immer in den Weg? Was zwingt ihn (und mich), immer um sich selbst zu kreisen? Unvermittelt immer wieder die Richtung zu ändern? Sich selbst ein Bein zu stellen? Bei denselben Gelegenheiten immer wieder die gleichen belanglosen Witze zu erzählen? Gegen besseres Wissen immer wieder dieselben Sprüche zu wiederholen?
Keine Ruhepausen einlegen, weil man immer noch besser werden kann. Und muss? Was ist dieser Zwang zum Glück, zur Selbstoptimierung, die so gründlich schief geht? Immer wieder von vorne anfangen, tempo tempo!
Singen beruhigt, aber immer nur das Geburtstagslied? Auch Momente der Trauer können den Schritt verlangsamen, aber nur kurz, keine Zeit zum Atemholen. Rastlos durchläuft, überquert, hüpft, tänzelt, springt Gläser auf der dunkel gehaltenen Bühne in eineinhalb Stunden durch drei Jahre seines Lebens. Um am Ende erschöpft stehen zu bleiben: »Ich – kann – nicht – mehr … Ich fang noch mal an.« Zack, und die Anfangsmusik setzt ein, black out.
Eine grandiose Persiflage auf das durchoptimierte, durchökonomisierte, abgehetzte, beschädigte Leben, eine, wie Paul Watzlawick es nennt, »Anleitung zum Unglücklichsein«.
Schrecklich und komisch, bedrückend und bewundernswert. Sehenswert!

Katrin Swoboda (Foto: © Felix Holland)
Termine: 15., 16. Januar, 20 Uhr
www.freiesschauspiel.de

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