Freies Schauspiel Ensemble FSE: »Das Himbeerreich«

Das Himbeerreich (Foto: Bettina Müller)Banker schlecken Wunden

Ein Himbeerreich? Wer denkt da nicht an Eis, Marmelade, Sirup und Kuchen! An den seligen Genuss der blassroten, fuchsia-farbenen Früchte an warmen Sommer- und Kindertagen! Auf Luxus- und Konsumgüter, wie es der Dokumentarfilmer und nun auch Theaterautor Andres Veiel mit Gudrun Ensslins Aussage (siehe Strandgut 09/2013) bei seiner Aufarbeitung der Finanzkrise nahelegt, kommt man eher nicht.

Aber wahrscheinlich mengt sich in der Vorstellung von Glück und Genuss bei den vom Freien Schauspiel Ensemble vorgestellten Bankern nebst Bankerin ja die Erinnerung an die Kindertage mit der unstillbaren Gier nach dem Genuss von Privilegien und Luxus. Allerdings handelt »Das Himbeerreich« von fünf längst stillgestellten Ex-Topmanagern des Berufsstandes. Vier Männer (Bernhard Bauer, Jürgen Beck-Rebholz, Stefan Maaß, Christian Ohmann) und eine Frau (Bettina Kaminski) und ein persönlicher Chauffeur (Thomas Pohn). Und so richtig böse sind sie gar nicht. Sondern nur: gierig, verantwortungslos, egoistisch, aber auch unfähig (»Wir müssen permanent Entscheidungen treffen, in einem Bereich, den niemand wirklich durchdringt«) und geil nach dem Kick (»Steigt oder fällt der Kurs?«), Spielernaturen eben. Offen eingestehen tun sie sich das nicht. Viele ihrer waghalsigen Spekulationen waren politisch gewollt und für sie wie ihre Geldhäuser risikolos: »Uns war klar, dass wir staatliche Bürgschaften bekommen würden.«

Die Schauspieler tragen die aus Veiels insgesamt 25 Interviews gewonnenen Texte durchaus abwechslungsreich vor. Wie vor einer Gerichtsschranke sitzen sie in einer Reihe, um sich und ihre Funktion in der Finanzkrise zu erklären. Wenn sie am Ende nicht nur metaphorisch die Armani-Hosen und den Prada-Rock herunterlassen, ändert das nichts daran, dass sie am Ende nur voller Selbstmitleid ihre Wunden lecken.

Es gibt den Zyniker, den Machtmenschen, den dann doch von Skrupeln Angefressenen und eine knallharte Bettina Kaminski, die in ihrem Auftritt an Josef Ackermann und im Aussehen umwerfend an Ursula von der Leyen erinnert. Der Besucher ist gefordert, den durchaus nicht immer leicht zu verstehenden Ausführungen im Bankerjargon konzentriert zuzuhören – und tut dies auch. Sind wir heute weiter? Eher gefeit gegen leichtsinnig provozierte Krisen, die dann alle betreffen? Zweifel sind angesagt. Ein Stück Aufklärung, das uns nachdenklich machen sollte, und eine lohnende Anstrengung des Denkens ist diese Inszenierung jedenfalls. Großer verdienter Beifall des beeindruckten Publikums.

Katrin Swoboda
Termine: 10., 22., 30. November, 19.30 Uhr im Titania
Info: www.freiesschauspiel.de

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