Freies Schauspiel Ensemble bereitet Deutschland-Premiere »Diplomatie« vor

Paris retten im Titania

»Stellen Sie sich der Realität!« – »Ihrer oder meiner?« Um diesen Dialog aus acht Wörtern dreht sich Cyril Gelys Theaterstück »Diplomatie«, mit dem das Freie Schauspiel Ensemble in die neue Spielzeit startet. Die sich am 24. August 1944 im Hotel Meurice gegenüberstehen, sind der deutsche General Dietrich von Choltitz, Wehrmachtsbefehlshaber von Groß-Paris und Spross einer Familie mit soldatischer Tradition, und der schwedische Generalkonsul Raoul Nordlind, in Paris geborener und lebender Industriellensohn und schon mit 23 Jahren (ab 1905) im diplomatischen Dienst. Es ist der Tag, an dem der erst nach dem Attentat vom 20. Juli von Hitler eingesetzte Deutsche dessen »Trümmerbefehl« befolgen und die französische Hauptstadt niedersprengen will. Wie der Schwede als Mittler zwischen den Alliierten und den Besatzern die von ehernen Ehrenkodexen getragene Festung seines Gegenübers zum Einsturz bringt und mit Paris Hunderttausenden das Leben rettete, ist Thema dieses Stücks. Das Gespräch der beiden Protagonisten ist fiktiv, die Geschichte aber wahr.
Cyril Gely hat sein Kammerspiel nach der Dokumentation »Brennt Paris?« (Dominique La Pierre/ Larry Collins, 1964) verfasst, die auch verfilmt worden ist. Sein 2010 im Pariser Théatre Madeleine uraufgeführtes Stück griff Volker Schlöndorff 2013 auf und besetzte die Hauptrollen seines Films mit den originalen Bühnendarstellern (André Dussollier, Niels Arestrup). Im Bockenheimer Titania findet nun die theatrale Erstaufführung von »Diplomatie« in deutscher Sprache statt, was erstaunt, aber auch großartig für das FSE. Regie führt Bettina Kaminski. Es ist nach »Gift« und »Ich möchte lieber nicht« ihre dritte Regiearbeit.
Ihre Entscheidung für dieses Stück beruhe auf der fesselnden Konfrontation zweier in jeweils völlig eigener Logik sich begegnenden Figuren, betont die Regisseurin. Beide agierten in ihren »Realitäten« nachvollziehbar, keinen, der ausschließlich gut oder böse sei.
Über den konkreten historischen Bezug zur Paris-Rettung hinaus, sei das Stück aber auch ein Plädoyer für eine grundsätzlich dialogische Lösung von Konflikten – und damit brennend aktuell, führt Kaminski aus, die froh ist mit Adrian Scherschel und Jürgen Beck-Rebholz zwei Vollblutschauspieler im Ensemble zu haben, die es gewohnt seien, ihre Rollen ohne jedes Pardon auszureizen. Die Bühne aber, so viel steht sechs Wochen vor der Premiere fest, wird ohne historische und geographische Anspielungen völlig abstrakt angelegt. Paris ist immer und überall.

Winnie Geipert (Foto: Bettina Kaminski, © FSE)
Premiere 30. September, je vier weitere Termine im Oktober und November
www.freiesschauspiel.de

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