Frankfurt, Bahnhofsviertel, 4. Revier

Gregor Weber und sein Straßencop Ruben Rubeck

Bei Krimis über Frankfurt bin ich empfindlich, habe zulange hier gelebt. Noch schlimmer wird es, wenn es sich um einen Cop-Thriller handelt und der Polizist, um den es geht, ausgerechnet das 4. Revier in der Gutleutstraße und das Bahnhofsviertel zu seinem Zuhause gemacht hat. Genau dort hat ein Freund gearbeitet hat: der leider viel zu früh verstorbene Fred Prase. Manchen ist er vielleicht noch erinnerlich mit seinem Buch »Feuerteich« (1985), für das er im Bahnhofsviertel fotografierte und mit seinen Fotos und Texten neben Frank Göhre einer der ersten war, die sich »dem Milieu« auf eine angenehm entmythologisierende, menschliche Weise näherten. Zudem war er ein richtig guter Polizist. Mit ihm unterwegs zu sein, das war mehr als lehrreich.
Nun also Ruben Rubeck. Siebenundvierzig, mieser Straßenbulle. Sieht aus wie siebenundfünfzig, fühlt sich manchmal wie siebenundachtzig. Schluckspecht, nach dem Kater ist vor dem Kater. Läuft in einem Ami-Parka herum »wie ein Typ in einer Krimiserie«, wird manchmal darauf angesprochen, aber das Ding ist einfach praktisch. Rubeck ist geschieden, anspruchs- und kinderlos und Kriminalkommissar, in seinem Alter ein lächerlich niedriger Dienstgrad. Geht ihm aber am Arsch vorbei.
Morgens um elf gerät er in eine Schießerei. »Kein Gebrüll. Da waren auf jeden Fall Typen zugange, die das nicht zum ersten Mal machten. Das war gut. Bei Schießereien gibt es nichts Schlimmeres als Anfänger.« Auch Ruben drückt ab, hat einen Albaner aus Hamburg erschossen, wie sich herausstellt. Erst ist er über die Nachwirkungen beruhigt (»Wenn man schießt und nicht mehr zittert, hat man ein Problem«), dann wird der Fall doch zu einem Problem – und zwar aus der Vergangenheit. Kosovo, UN Special Team Six, bei dem auch Sonderkräfte der Bundeswehr dabei waren. Rubeck und seine Freunde. Kursiv gesetzte Kapitel führen in diese Zeit zurück.
Um es kurz zu machen, da laufen ein paar Fäden wie Zündschnüre aufeinander zu – und auch Fred Prase würde vermutlich diesem Gregor Weber – der, ohne das gegen ihn zu verwenden, einmal ein »Tatort«-Kommissar war, ehe er ehrbar wurde – ein Bier ausgeben, weil der es furztrocken auf die Reihe kriegt, Klischees auf die Theke zu dotzen, dass sie Pirouetten drehen wie eine flirrende Münze. Guter Schnodderton reihum, viel Tempo und ein kleine witzige Eskapaden, etwa Rubeck vor dem Fernseher: Humphrey Bogart mal mit Revolver, mal mit Automatik, mal Spade und mal Marlowe in den alten Filmen, und eben was ein Waffenkenner da so sieht. Dazu richtig klasse Boxclub-Szenen, fetzig gut.
Den Antritt mit der »Sommer 1999«-Nummer hätte ich nicht unbedingt gebraucht, wäre lieber gleich ins Gutleut eingefallen. Dass der Kaffee im Palmengarten »echt Scheiße schmeckt«, ist hoffentlich eine veraltete Information, sonst hat Johnny Klinke in seinem feinen „Caféhaus Sießmayer“ (wie das Ding schon lange heißt, aber nicht benannt wird) wie auch im Gesellschaftshaus ein Problem. Auch ist mir natürlich aufgefallen, dass der Showdown aus Frankfurt hinaus ins halbimaginäre Taunus-Hinterland führt. Spätestens das schnelle Ende aber schreit dann: »Fortsetzung!«
Werden wir erhört? Die Prüfung für Ruben Rubeck kommt erst noch. Aus dieser Nummer hier kam er richtig gut raus. Deutsches Hardboiled, gut abgehangen.

Alf Mayer
Gregor Weber: Asphaltseele. Thriller. München: Heyne Hardcore, 2016. 240 Seiten, Klappenbroschur, 14,99 Euro.

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