Fotografie Forum: »Augen auf!«

»Man with a Bandage«, © Fred HerzogMomentaufnahmen für die Ewigkeit

Das Fotografie Forum Braubachstraße feiert mit »Augen auf!« 100 Jahre Leica

Wir Hessen! Nicht nur die Kernspaltung (Otto Hahn), Dantons Tod (Georg Büchner), die Schwalbe zum WM-Sieg 1974 (Bernd Hölzenbein) und die »Minima Moralia« (Theodor W. Adorno) wurden von Hessen erdacht und gemacht. Auch die Leica, die erste Kleinbildkamera der Welt und sowas wie i-Pod des 20. Jahrhunderts, ist ein heimisches Produkt. Es stammt aus Wetzlar, so erfährt man nun in der Ausstellung »Augen auf!« im Fotografie Forum, und zwar von der Firma, der wir auch den Leitz-Ordner verdanken. Oscar Barnack, ein 25 Jahre alter zumindest wahlhessischer Feinmechaniker, hatte die Idee zu einem Rollfilm-Gehäuse und patentierte diese 1914 als »Liliput-Kamera«. Seine ersten Bilder im Jahr 1913 zeigen mit starkem Kontrast Wetzlarer Straßenszenen.
In Serie ging die Leitz-Camera kriegsbedingt aber erst zehn Jahre später. Sie revolutionierte die Fotografie, unsere Sehgewohnheiten und natürlich das Zeitungswesen – wie geschaffen für eine immer schnelllebiger werdende Zeit. Anders als die schwere Plattenkamera ließ sich das Gerät in der Jacke tragen und ohne Umstände gleich für Serienaufnahmen nutzen. Und recht preiswert war die Leica wohl auch. Gisèle Freund bekam sie von den Eltern geschenkt. Als engagierte Jura-Studentin dokumentierte sie die letzte 1.-Mai-Kundgebung in Frankfurt vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, wie, nur fünf Minuten entfernt, im Historischen Museum zu sehen ist, wo die Ausstellung »1. Mai 1932« (Strandgut 2/2015) noch bis 3. Mai läuft. Auch wenn es im Fotografie-Forum unter den knapp 250 Arbeiten viel Neues und Unbekanntes gibt, stehen die Stars und die Meisterwerke des Genres doch im Mittelpunkt.
Von Henry Cartier-Bresson und Robert Capa, von René Burri bis zu Ribeiro Salgado und Barbara Klemm reicht das Spektrum. Mit Fotografien, die sich tief in unser Gedächtnis eingegraben haben, wie das der vor Napalm-Bombardements schreiend flüchtenden, nackten Kinder in Vietnam von Nick Ut aus dem Jahr 1972, wie das legendäre Che-Guevara-Porträt von Alberto Korda oder das von der US-amerikanischen Siegesfeier (»V-J Day«) 1945 auf dem New Yorker Times Square, das einen Matrosen zeigt, der im Überschwang eine Krankenschwester küsst. Momentaufnahmen, auf die entscheidende Sekunde ausgelöst – auch wenn der Fotoreporter Alfred Eisenstaedt berichtet, dass der wilde Knutscher schon länger zugange war, bevor er sich zum Abdrücken entschloss.
In zehn chronologisch aufgereihten Abteilungen wird die Geschichte der Leica-Fotografie aufbereitet. Eine Geschichte, die sich augenscheinlich von der Entwicklung der Digitalkameras genauso wenig beeindrucken lässt wie ehedem von der Erfindung des Buntfilms. Unser Bild (s.o.)  ist dafür Zeuge.

Lorenz Gatt
Bis 31. Mai: Di.–So. 11–18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr
www.fffrankfurt.de

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