Der Fall Wilhelm Reich (Start: 5.9.2013)

Der Fall Wilhelm Reich (Start: 5.9.2013)Konsequent angeeckt

»Der Fall Wilhelm Reich« von Antonin Svoboda

Wilhelm Reich war eine einzige Provokation. Und das sogar im Wien der Zwischenkriegszeit, das an Provokationen nicht gerade arm war. In seiner amerikanischen Emigrationszeit hat er sich den Ruf eines gefährlichen Querulanten eingehandelt. Diesen späten Jahren in den USA hat der Österreicher Antonin Svoboda nun einen Spielfilm gewidmet, der die notorische Frage »genial oder wahnsinnig?« beantworten soll.

Reichs beachtliche Karriere begann in der Wiener Psychoanalytischen Gesellschaft, in der er zu Sigmund Freuds Lieblingsschüler avancierte. Sein »Problem« wurde, dass er weiterdachte als Freud und andere Psychologen und Psychoanalytiker. Von Freuds Libidotheorie ausgehend erkannte er »Die Funktion des Orgasmus«, er wandte sich dem Marxismus in »Dialektischer Materialismus und Psychoanalyse« zu, was zum endgültigen Zerwürfnis mit Freud führte, überwand die Trennung von Psyche und Körper in der »Charakteranalyse« und begründete damit die Körpertherapie und sah im Faschismus eine psychische Störung (»Die Massenpsychologie des Faschismus«, 1933). Spätestens mit dieser Schrift war klar, dass er, der Sohn säkularisierter Juden, emigrieren musste.

Richtig umstritten – auch noch heute – ist schließlich seine Orgon-Theorie. Gibt es diese Lebensenergie, führt die Blockade dieser Energie tatsächlich zu Krebs und anderen Krankheiten? Im Grunde ist die Annahme einer solchen Energie nur konsequent, und genauso konsequent ist die Skepsis eines Albert Einstein, der Reich nicht einmal persönlich emfangen hat. Das ist eine der größeren Demütigungen, die der von Klaus Maria Brandauer dargestellte Wilhelm Reich im Film erleiden muss. (So bleibt den Zuschauern auch ein Einstein-Darsteller erspart.)

Sind Reichs Orgon-Akkumulatoren wirkungslose Holzkästen, oder stärkt es den Fluss der Lebensenergie, wenn man studenlang in ihnen sitzt? Einer unfruchtbaren Farmerin verhilft es anscheinend zur ersehnten Schwangerschaft. Aber in Amerika ist Reich schon als ehemaliges KP-Mitglied verdächtig. Seine Erfolge werden als Zufallsprodukte angesehen, sie sind auch nicht wiederholbar, was ein wichtiges wissenschaftliches Kriterium ist. Reich muss schließlich seine Akkumulatoren auf Anweisung der amerikanischen Behörden verbrennen und wird verhaftet. Aus dem Nachspann erfahren wir, dass er kurz vor seiner Entlassung unter ungeklärten Umständen gestorben ist.

Regisseur und Autor Antonin Svoboda, der sich schon in der Dokumentation »Wer hat Angst vor Wilhelm Reich?« mit dem Fall Wilhelm Reich beschäftigt hat, zeigt den streitbaren Psychologen vielleicht ein wenig zu sympathisch und wird darin durch Brandauers Darstellung bestärkt. Im Film ist Reich ein liebenswert-spleeniger Forscher, der nur das Wohl der Menschen im Blick hat. Verrückt ist die amerikanische Gesellschaft, allen voran sein Gegenspieler Dr. Cameron (Gary Lewis), der seinen Patienten mit Elektroschocks das Gehirn wäscht. Weniger Schwarzweiß und ein paar Zwischentöne mehr hätten dem Film gutgetan.

Claus Wecker
DER FALL WILHELM REICH
von Antonin Svoboda, A 2012, 110 Min.
mit Klaus Maria Brandauer, Julia Jentsch, Jeanette Hain, Jamie Sives, Birgit Minichmayr, Kenny Doughty
Biopic
Start: 5.9.2013.
Preview am 2. September um 19.30 Uhr im Cinema in Anwesenheit von Klaus Maria Brandauer und Antonin Svoboda.

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