English Theatre Frankfurt: Good People

English Theatre: Good PeoplePardon My French

Es ist die Illusion eines intakten Wertesystems, die mit der Formulierung »Good People« verbunden ist. Die Illusion einer moralischen Integrität ausgerechnet dort, wo kaum mehr etwas intakt ist und Menschen wie Margie Walsh um das tägliche Überleben kämpfen. Ihr Stadtteil, Boston South, ist eines jener hemdsärmeligen weißen, Ressentiment-beladenen Verliererviertel, aus denen es kaum ein Entrinnen gibt und deren Namen ihren Bewohnern wie ein Stigma auf die Stirn gebrannt scheinen. Naja, jedenfalls so in etwa.

Als die 50 Jahre alte Margie, die ein geistig behindertes Kind verpflegen muss und gerade ihren Kassenjob in einer Art US-Lidl verloren hat, erfährt, dass einer jener »Southies«, die es geschafft haben, sich als Arzt in der Stadt niedergelassen hat, macht sie sich zu ihm auf. Ihre Hoffnung, über Mikey Dillon, einen Job zu finden, gründet auf seiner Herkunft und einer kurzen Affäre. – und wird radikal enttäuscht. Allerdings kann auch Margies Antwort ihre Southie-Handschrift nicht leugnen.
»Good People« von David Lindsay-Abaire ist ohne Zweifel eine Sozialschmonzette um den American Dream, doch kein Grund, einen Bogen um das English Theatre zu machen. Weit davon entfernt, die Charaktere in Gut und Böse, Schwarz und Weiß zu exponieren, zeichnet der Autor das lebendige Bild eines spannenden Ringens m die Frage Schuld oder Schicksal, das auch auf deutsche Verhältnisse übertragbar ist. Die Antwort überlässt der Pulitzer-Preisträger uns, aber mit einem bösen bissigen Witz, der wohl besser als Galgenhumor im derbsten Vorstadt-Slang beschrieben ist. »Pardon My French«: nichts hört man häufiger als die gezielte verbale Entgleisung.
Tolle Schauspieler einmal mehr aus dem großen Füllhorn London: Janet Greaves gibt jene desolate und doch sympathische Margie, die noch die größte Demütigung verständnisvoll schluckt und der man im richtigen Leben dennoch lieber nicht begegnen möchte, weil keiner sicher sein kann vor ihrer losen Zunge. So wie Margie könnte es der alt gewordenen Paula Spencer aus Roddy Doyles »Die Frau, die gegen Türen rannte« gehen. Greaves kommt in dieser Rolle so authentisch daher, dass niemand ihr abnehmen würde, in Wahrheit eine Schauspielerin zu sein. Kevin McGovern verkörpert den hin und her gerissenen Aufsteiger bestens, das größte Vergnügen aber bereiten Louise Yates als Margies mit allen Leitungswassern gewaschene schlagfertige sarkastische Freundin Jean und ihre präsenile Vermieterin Dottie. Wie die beiden mit Maggie in der Küche oder beim Bingo lästern, das hat zwar Sitcom-Format, ist aber saumäßig gut, pardon my english. Regie führt Michael Howcraft.

Winnie Geipert
Termine: bis 5. Juli; Di bis Sa.: 19.30; So.: 18 Uhr

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