English Theatre fesselt mit »Strangers on a Train«

theater_engl-theatre_strangers_c_Kaufhold_0588Über 16 Stufen zur Bluttat

Es wabert und wabert vom Anfang bis zum Ende auf der düster bleibenden Kellerbühne des English Theatre. Schwaden von Zigarettenrauch, vom Abdampf der Lokomotive, aus den Gullis von New York City ziehen ihre Trockeneisbahn. Und gleichwohl wir hauptsächlich an der Ostküste der Vereinigten Staaten sind, weht natürlich auch der Londoner Nebel ins Twilight herein. Denn »Strangers on a Train« ist zuallererst – aber nicht nur – ein 50er-Jahre-Schwarzweiß-Krimi, den Alfred Hitchcock berühmt, aber auch ein wenig anders gemacht hat, als Patricia Highsmith ihn in ihrem ersten Roman 1950 niederschrieb. Ein bisschen nebulös ist die Story aber auch. Dafür ist – endlich mal – das Englisch leicht zu verstehen.
Ein aufstrebender Architekt, Guy Haines, lässt sich im Zug auf ein leutseliges Gespräch mit dem Dandy Charles Bruno ein und erzählt ihm in unverbindlicher amerikanischer Offenheit von seiner ihn betrügenden Gattin. Bruno, der unter seinem Vater leidet, schlägt Guy beim Drink einen Deal vor, sich gegenseitig vom Ärger zu befreien. Dumm nur für Guy, dass der das ernst meint und nachdem er in Vorleistung getreten ist, nun von ihm den Vollzug einfordert. Im Roman sogar erstmal erfolgreich, im Film bleibt Guys Weste weiß.
»Strangers on a Train« erzählt aber auch von der unglücklichen, gleichwohl perversen Liebe des schwergestörten Psychopathen Bruno zu Guy Haines. Vom Vater nicht anerkannt, von der Mutter gehätschelt, erblickt er in dem Architekten sein Ideal und drängt mit der vermeintlich bindenden Tat sich immer tiefer in dessen Leben.
Die homoerotische Vereinnahmung, die Highsmith wenig später in ihrem Ripley-Roman ins Extreme steigert, von Hitchcock aber bewusst negiert wird, spielt in der Bühnenfassung von Craig Warner (2013), an die sich die Inszenierung von Regisseur Tom Littler streng hält, eine wichtige Rolle. Dass die Story konsequent in den Telefonzellen-Kettenraucher-Fünfzigern bleibt, macht das spannende Spiel perfekt. Die Schlag auf Schlag wechselnden Schauplätze drehen sich aus der bühnenhohen Graukulisse ins das düster bleibende Licht: Wohn- und Schlafzimmer, Partyküche und vor allem die 16-stufige Treppe, die zum Tatort leitet. Vielleicht ist es den Bühnenbauern geschuldet, dass die den Mord vorbereitende Szene als einzige etwas lang gerät. James Sheldon gelingt es, dem nahenden Wahnsinn seines stets leicht überdrehten Bruno auch einen Schuss Hilflosigkeit beizumengen, die seine Beziehung zu Alex Manns zunehmend verunsicherten Guy glaubwürdig macht. Ganz frei von warmen Gefühlen scheint er auch nicht zu sein. Großartig die von Fassungslosigkeit und unterdrücktem Zorn geprägte Szene, in der Bruno ihm den Mord an seiner Frau offenbart, für die insbesondere auch der Lichtregie zu danken ist. Wie ohnehin die britischen Schauspieler wieder einmal klasse sind. Karen Ascoe in der Rolle von Brunos Mutter Elsie überragt indes alle. Begeisterter Applaus.

Winnie Geipert
Bis 1. November: Di. bis Sa. 19.30 Uhr, So. 18 Uhr
www.english-theatre.de

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