»Die Schlösser aus Sand« von Oliver Jahan

Was aus einer Liebe werden kann

Wenn es ums Verliebtsein und um die Liebe oder, ganz allgemein gesagt, um den Magnetismus zwischen zwei Menschen geht, macht den Franzosen keiner etwas vor. Unerschöpflich ist der Schatz an Betrachtungen und Erkenntnissen, den sie in ihrer Literatur, im Film, ja auch in ihren Chansons angehäuft haben. Da wundert es nicht, dass dem Franzosen Olivier Jahan mit »Les châteaux de sable« eine wunderbare Tragikomödie gelungen ist, die jetzt unter dem Titel »Die Schlösser aus Sand« hierzulande in die Kinos kommt.

Jahan fängt mit seiner Erzählung an, wenn die Beziehung zu Ende ist. Vom Ende her ist jede Liebe am aufschlussreichsten. Das haben gerade Regisseure wie Asghar Farhadi (»Le passé«) und Joachim Lafosse (»Die Ökonomie der Liebe«)  bewiesen. Doch Jahan steht mit einer romanhaften Erzählerin und den assoziativen Rückblenden eher in der Tradition eines Marcel Proust oder François Truffaut, wenn er die Geschichte von Éléonore (Emma de Caunes) und Samuel (Yannick Renier) erzählt.
Éléonore fährt mit ihrem Ex-Freund Samuel in die Bretagne, um dort das Haus ihres verstorbenen Vaters zu verkaufen. Samuel soll ihr helfen, das an der Côtes d‘Armor gelegene Anwesen zu entrümpeln und für den Käufer ein wenig aufzuhübschen. Während Éléonore sich an die glücklichen Stunden erinnert, die sie dort mit ihrem Vater (Alain Chamfort) verbracht hat, hat Samuel gegenüber seiner hübschen neuen Freundin Laure (Gaëlle Bona) ein schlechtes Gewissen. Schließlich hat er Éléonore wegen deren Affäre mit einem Musiker verlassen. Nun lebt Éléonore wieder allein in Paris, und mit beinahe jedem Blick scheint sie Samuel und ihre Gefühle für ihn zu taxieren. Im Gegensatz zu der sanften Laure widerspricht sie Samuel und wirft ihm sein gekränktes Gehabe vor. Sie ist Fotografin, doch wenn sie Samuel heimlich fotografiert, scheint mehr als nur berufliche Routine im Spiel.
Die Immobilienmaklerin Claire (Jeanne Rosa) trägt mit ihren Besuchen, allein und mit Interessenten, die wie Besucher einer Ausstellung durch Éléonores Welt wandern, zur Klärung der Gefühle bei. Ja, am Ende betätigt sie sich sogar als eine Therapeutin, die Éléonore hilft, über ihren Trennungsschmerz hinwegzukommen.
»Die Schlösser aus Sand« ist Jahans zweiter Spielfilm nach 15 Jahren. Wenn er Maëlle (Christine Brücher), die Ex-Freundin des Vaters – ihre Bedeutung für den Verstorbenen offenbart sie erst kurz vor Éléonores Abreise –, den ganzen Film über das Geschehen aus dem Off erzählen lässt, erspart er uns öde Dialoge, die das Vergangene erklären sollen. Wenn er Pathos schon im Ansatz abblockt, gönnt er uns den Raum für Mitgefühl oder Ablehnung. Seine sensible Inszenierung weckt Neugier auf seinen Spielfilmerstling »Der Voyeur« (Faites comme si je n‘étais pas là), der in Deutschland nur beim Filmfest München im Jahr 2000 auf der Leinwand zu sehen war.

Claus Wecker
DIE SCHLÖSSER AUS SAND
(Les Chateaux de sable)
von Olivier Jahan, F 2015, 102 Min.
mit Emma de Caunes, Yannick Renier, Jeanne Rosa, Christine Brücher, Alain Chamfort, Gaëlle Bona
Drama
Start: 27.04.2017

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