Deutsches Filmmuseum:
»Film und Games. Ein Wechselspiel«

The Elder Scrolls V, © Skyrim Bethesda SoftworksVon der linearen Erzählung zur Geschichtenwelt

In rasantem Tempo haben sich viele Computerspiele in den vergangenen Jahren in Richtung Film entwickelt. Die bewegten Bilder dieser Spiele sind heute von so herausragender Qualität und kompositorischer Dichte, dass sie sich kaum noch vom Film unterscheiden. Überfällig ist daher eine eingehende, vergleichende Auseinandersetzung mit beiden Medien. Die Ausstellung »Film und Games« im Deutschen Filmmuseum zeigt die Wechselwirkungen beider Medien auf 350 m².

Die »Slave I« des berüchtigten Kopfgeldjägers Boba Fett, ein Raumschiff der Firespray-31 Klasse, steht unter Glas. Der Zustand ist eher schlecht, sie ist »ehrlich abgespielt«, mit Macken und Kratzern. Echter, analoger Kinderzimmer-Schrott der frühen 80er. In vielen Wohnzimmern von inzwischen Mitvierzigern stehen vermutlich besser erhaltene Exemplare. Ebenfalls in Vitrinen. Nicht anfassen, nur gucken!
Man muss lächeln und wird an die Zeit erinnert, als man mit Figuren und Raumschiffen aus Plastik hantierte, um die Geschichte (hier im Star-Wars-Universum) nachzuspielen. Viel Phantasie vorausgesetzt natürlich, denn dort, wo der Film aufhörte, gab es seinerzeit sehr wenig, was die Sehnsucht, tiefer in diese Welt abzutauchen, befriedigen konnte.
Die ersten Computer und Konsolenspiele wurden sicher auch aus dem Wunsch heraus geboren, das filmische Erlebnis zu erweitern. Diese Spiele hatten allerdings, bis auf die visuell spannend gestaltete Verpackungen, inhaltlich oft wenig mit den Welten der Filme zu tun und konnten fast nie dieses Brennen befriedigen, das man verspürte, weil man von der Geschichte im Film unbedingt mehr wissen, mehr erleben und mehr daran teilhaben wollte.
Jetzt, rund 40 Jahre später, findet man diese ersten Versuche, zusammen mit den Plastikfiguren und Comics im Museum, daneben die Filme die als Ideengeber für die digitalen Abenteuer dienten.
Beispiele wie »Tron« oder »Tomb Raider« dienen zur Verdeutlichung der Wechselwirkung in Narration, Aesthetik und Thematik und dafür, wie sich zwei heutige Leitmedien inspirieren und ergänzen können.
 
Für die jüngere Generation, die sich in den Ausstellungsräumen tummelt,  spielen die ausgestellten  »analogen« Gegenstände fast keine Rolle. Vermutlich kennen sie das Gefühl nicht mehr, dass ein Erlebnis nach dem Film fehlt – oder zumindest unvollständig ist. Für die »Millenials«, die digitalen  Junkies, von klein auf an mediale Interaktivität gewöhnt, anspruchsvoll, was den Inhalt und die audiovisuelle Umsetzung angeht, ist es selbstverständlich, dass man rundherum abtauchen kann in die Fiktion. In riesigen digitalen Welten, losgelöst von einer linearen Narration, interagieren und entdecken sie spielerisch neue Inhalte, die über das Filmerlebnis hinausgehen.
 
War das Computerspiel zu Beginn noch eine Erweiterung für den Film, so hat sich dies über die vergangenen Jahre umgekehrt.  Die Spiele sind längst zu komplexeren Gesamtkunstwerken geworden, sowohl in der audiovisuellen Umsetzung als auch in der inhaltlichen und narrativen Vielschichtigkeit. Die Ausstellung deutet dies an, insbesondere dort, wo der Besucher sich den Ausstellungsinhalt interaktiv an einem der Terminals erweitern kann und Einblick erhält in die Produktion  großer Spieletitel wie »Assassins Creed« (kommt als Film mit Michael Fassbinder 2016 ins Kino) oder »Ryse, Son of Rome«, die nicht nur in Produktionsweise und technischer Umsetzung dem Film mindestens ebenbürtig sind, sondern diesen, was Budgets und Umsatz angeht, deutlich überflügelt haben. »Assassins Creed Unity« verfügte über ein Entwicklungsbudget von rund 120 Millionen Dollar und verkaufte sich weltweit über 10 Millionen Mal.
Von den Entwicklungsbudgets, über die große Spielefranchises inzwischen verfügen, kann man bei den meisten Filmen nur träumen. Chris Roberts (Schöpfer von »Wing Commander«) hat gerade für seine Weltraumsimulation »Star Citizen« über 85 Millionen Dollar eingesammelt. Allein über Crowd Funding.  Ein Fingerzeig, wie hoch das Vertrauen der Konsumenten in den Markt und die kreative Kraft der Branche geworden ist.
Um solche Spiele entsteht eine aktive Community. Man spielt nicht nur, sondern gestaltet und erweitert auch den spielbaren Inhalt selbstständig (Modding) oder dreht einfach eigenen Filme innerhalb des Spieles (Machinima).
 
Den sinnlichen Zugang für die Besucher bieten 20 Projektionen von Film- und Spielausschnitten, anhand derer sie Aesthetik, Wirkung und erzählerische Mittel von Computerspielen und Filmen vergleichend betrachten können. Die Interaktivität der Ausstellung macht Laune, insbesondere wenn man fließend zwischen »Lean back« und »Lean in« Entertainment wechselt, dabei an acht Stationen den gegenübergestellten Filmen und Spielen folgen und anschließend selbst Passagen von Filmen spielen kann.
Für die Generation, die von Beginn an mit Video und Computerspielen aufgewachsen ist und beide Medien konsumiert und deren Entwicklung und Wechselwirkung gleichberechtigt wahrgenommen hat, ist das Erlebnis fast schon zu kurz.  Gerne möchte man noch tiefer eintauchen.
Für den Cineasten, der bisher Computer und Videospiele als Kunstform ignoriert hat, ist es eine den Horizont erweiternde Erfahrung.

mk
Bis 31. Januar 2016: Di.–So. 10–18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr
Zur Ausstellung gibt es ein abwechslungsreiches Begleitprogramm und eine Filmreihe.
Die Veranstaltungen richten sich an Jugendliche  ab 12 Jahren und Junggebliebene, die vom
27. bis zum 29.7. an Workshops zu den Themen Machinima, Modding und Parkour  teilnehmen können.
Weitere Infos unter http://deutsches-filminstitut.de/blog/summer-games
Zu den Filmen gelangen Sie hier http://deutsches-filminstitut.de/filmmuseum/kinoprogramm

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