»Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki« von Juho Kuosmanen

Operation am offenen Herzen

Der finnische Regisseur Juho Kuosmanen hat sich für sein Spielfilmdebüt altes Schwarzweiß-16mm-Material beschafft und damit ganz klassisch-analog ein Ereignis aus den frühen Sechzigern verfilmt. In der Tradition eines Aki Kaurismäki und auch der jungen Franzosen der Nouvelle Vague erzählt er von einer finnischen Boxer-Legende.

Olli Mäki hat es damals zu einiger Berühmtheit gebracht – zumindest in Finnland. Hierzulande dürften ihn nur einige Experten kennen. Dennoch lohnt sich der Blick auf seinen WM-Kampf um den Titel im Federgewicht im Jahr 1962.
Schon seine äußere Erscheinung will nicht so recht zu einem Boxer passen. Der Finne Jarko Lahrti, den man in den hiesigen Kinos noch nicht gesehen hat, spielt ihn mit wunderbar schüchterner Zurückhaltung. Ein introvertierter Mann, dem das übliche Imponiergehabe in der Branche fremd ist. Wegen seines erfahrenen Gegners – der farbige Amerikaner Davey Moor ist immerhin der amtierende Weltmeister mit etlichen K.o.-Siegen – habe er keine Bedenken, erklärt Olli auf der Pressekonferenz, denn eine Niederlage wäre bei einem so starken Gegner weniger schlimm.
Bei der Vorbereitung gibt es ein großes Problem. 57 Kilo Körpergewicht sind in der Klasse erlaubt, doch Olli ist vier Kilo schwerer. Um sich die abzutrainieren, fährt er in die Hauptstadt und quartiert sich samt Freundin Raija (äußerst sympathisch: Oona Airola) bei seinem Manager Elis Ask ein, der selbst ein ehemaliger Champion ist.
Elis hat bereits Sponsoren aufgetrieben und will den bevorstehenden Titelkampf in Helsinki als ein großes Sportereignis im amerikanischen Stil vermarkten. Raija irritiert Elis, den Eero Milonoff als großspurigen Organisator mit einem Schuss Unsicherheit verkörpert. Er degradiert sie zum unwillig geduldeten Zaungast bei den PR-Terminen. Denn er befürchtet, dass sie Olli ablenkt. Vor allem, als ihm Olli gesteht, dass er verliebt ist, sieht der Manager, in dessen Ehe es gewaltig kriselt, das ganze Unternehmen gefährdet.
So zieht sich Raija zu ihren Eltern in die Provinz zurück, und Olli leidet am Trennungsschmerz. Er wird sensibler, sein Herz öffnet sich. Derbe, entwürdigende Jahrmarktsvergnügen widern ihn an, und man kann sich ihn kaum im Boxring vorstellen. Der Kampf gerät gewissermaßen zu einer Operation am offenen Herzen und ist vorbei, kaum dass er begonnen hat. Aus einem anderen Grund ist der Tag des Titelkampfes eben doch der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki. Es ist der Tag, an dem er und die nach Helsinki zurückgekommene Raija ihre Verlobungsringe gekauft haben.
So ist aus einem Boxerfilm am Ende eine wunderbar zarte Romanze geworden. Eine Romanze, die der Wirklichkeit abgeschaut ist. Denn das ältere Ehepaar, das den frisch Verlobten auf ihrem Spaziergang am Ende des Films begegnet, ist der alt gewordene Olli Mäki mit seiner Frau Raija.

Claus Wecker
DER GLÜCKLICHSTE TAG IM LEBEN DES OLLI MÄKI (Hymyilevä mies)
von Juho Kuosmanen, D/FIN/S 2016, 92 Min.
mit Jarkko Lahti, Oona Airola, Eero Milonoff, Deogracias Masomi, Mika Melender
Romanze
Start: 05.01.2017

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