Das Kellertheater geht mit Dennis Kellys »Liebe und Geld« einer kaputten Beziehung auf den Grund

Vom Schullehrer zum Sexarbeiter

Wie rotierende Suchscheinwerfer umkreisen die sechs episodischen Szenen des Dramas »Liebe und Geld« von Dennis Kelly das grausame Ende einer jungen Ehefrau. Mit der stückweise erzählten Geschichte von Jess und David erschließt der Autor zugleich die alle Poren dieser Beziehung durchdringende Macht des Kapitals.
Das Frankfurter Kellertheater hätte das schon 2006 entstandene Stück gerne früher gezeigt, kam aber nicht an die Rechte, weil das Schauspiel Frankfurt nach Kellys »Die Opferung von Gorge Mastromas« diese blockierte. Reese weg – alles gut, wenigstens für Regisseur Thomas Steinweg und das Ensemble der Mainstraßenbühne. Und Bahn frei für eine Love-Story, die nur deshalb happy endet, weil der Autor sie rückwärts erzählt.
In Zeit- und Ortssprüngen leuchtet der Brite diese Beziehung von ihrem Ende her aus, beginnend mit einem zu einer Beichte geratenden E-Mail-Dialog zwischen David und seiner neuen Partnerin Sandrine. Den Fragen der Französin nach seiner Ex gibt er nur widerwillig, doch immer offener nach, bis es aus ihm hervorbricht. Und heraus ist, dass sie tot ist, dass sie depressiv war, dass sie sich mit einer Überdosis Tabletten das Leben nehmen wollte und dass er selbst dafür sorgte, dass sie dabei starb. Er habe, als er nach Hause kam und sie ohnmächtig liegen sah, daran gedacht, dass er sich ohne sie wohl einen roten Mondeo leisten könnte – und ihr dann Wodka eingeflößt. Schwärzer, will man meinen, geht es nicht. Oder doch?
Auch im bizarren Gespräch der verbitterten Eltern von Jess am Grab der verstorbenen Tochter scheint das Leitthema durch, zerstören die Alten (großartig: Andrea Pischel-Lustig, Sven Kube) doch in einer pegidösen Mischung aus Neid und Fremdenhass die Ruhestätte einer Griechin in der Friedhofsnachbarschaft. Immer weiter geht der Blick zurück, immer tiefer konfrontiert uns das verschachtelte Sozialdrama mit einer kalten durchökonomisierten Welt. Es ist eine Welt, in der Jess kaufsüchtig wird und die kleine Familie verschuldet, und in der David, der Lehrer, um seine Schulden begleichen zu können, die demütigende Suche nach einem besseren Job aufnimmt. Schließlich verdingt er sich als Sexarbeiter. Wie ein Orakel klingt nach allem der schöne Satz der so fest an ihr Glück glaubenden Jess am Tag der Hochzeit aus, sie wünsche sich zukünftig alles ein wenig so wie im Fernsehen.
Die lediglich mit zwei, drei Sitzpodesten ausgestattete Bühne von Tina Berthold ist mit roten Schnüren-Mustern bespannt, die wie beim Abnehmspiel nach jeder Szene neu formiert werden und sich ausgangs immer weiter auflösen. Kopfstark wie gewohnt und spielfreudig wie immer bringt das Kellertheater-Ensemble die jederzeit fesselnde Szenen-Collage mit mehrfachem Szenenapplaus überzeugend auf die Bretter. Im Zentrum der Aufführung findet sich Sercin Tas‘ berührende Träumerin Jess, die auf dem Boden, den sie unter ihren Füßen verliert, nie richtig stand. Ein Abend, skurril, abgrundtief böse und witzig, der uns mit wenig Aussicht auf Besserung der Verhältnisse, aber doch sehr zufrieden entlässt.

Winnie Geipert (Foto: © Anja Kühn)
Termine: 3., 4., 10., 11. November, jeweils 20.30 Uhr
www.kellertheater-frankfurt.de

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