Das Glück der großen Dinge (Start: 11.7.2013)

Das Glück der großen Dinge (Start: 11.7.2013)Mein Kind oder ich

»Das Glück der großen Dinge« von David Siegel und Scott McGehee

Maisie ist gerade einmal sechs Jahre alt, aber wenn man ihr lange genug in die Augen schaut, erkennt man in dem ebenso aufgeweckten wie tieftraurigen Blick eine Lebenserfahrenheit, die weit über ihr Alter hinaus geht. Das Mädchen lebt mit seinen Eltern in einem geräumigen New Yorker Townhouse. Dem materiellen Wohlstand, von dem das Kind umgeben ist, steht die emotionale Verwahrlosung ihrer Familie gegenüber.

Der Streit der Eltern unten im Wohnzimmer bietet die regelmäßige Geräuschkulisse, vor der Maisie abends einschläft. Als Mutter und Vater beschließen, sich scheiden zu lassen, gerät das Mädchen mitten hinein ins elterliche Kriegsgebiet, in dem das Sorgerecht für das Kind zur Siegestrophäe wird. Sowohl die Rockmusikerin Susanna (Julianne Moore), deren größte Erfolge schon einige Jahre zurück liegen, als auch der Kunsthändler Beale (Steve Coogan), der immer wieder zu langen Dienstreisen nach Europa aufbricht, lieben ihre Tochter. Aber mehr noch lieben sie sich selbst und beide sind zu narzisstisch veranlagt, als dass sie dem Kind den notwendigen emotionalen Halt geben könnten. Nachdem Beale vom Gericht das Sorgerecht zugesprochen bekommen hat, heiratet er praktischerweise das Kindermädchen Margo (Joanna Vanderham), die sich auch schon vor der Trennung um Maisie gekümmert hat. Wenig später zieht Susanna nach und ehelicht den sympathischen Barkeeper Lincoln (Alexander Skarsgård), der zwar ein wenig ziellos durchs Leben schlendert, aber einen warmherzigen Umgang mit dem Mädchen findet. Die deutlich jüngeren Partner der Eltern werden für Maisie zu sichtbar verlässlicheren Bezugspersonen und schon bald muss das Mädchen eine Entscheidung treffen, die viel zu groß ist für ein Kind in ihrem Alter.

Trotz seines ernsten Themas atmet »Das Glück der großen Dinge« eine gewisse Leichtigkeit, die dadurch entsteht, dass die Regisseure Scott McGehee und David Siegel (»The Deep End«) die Ereignisse konsequent aus der Perspektive des Kindes zeigen. Maisie nimmt die Konflikte der Eltern oft nur aus dem Augenwinkel wahr, und die Konsequenzen des Scheidungskrieges brechen immer wieder ohne Vorwarnung über sie herein. Dennoch bewahrt sich das Mädchen den Schutzmantel der kindlichen Naivität, die das Gute im Menschen sehen will. Jedes Kind ist mehr als nur das Produkt elterlicher Erziehung, und Maisie besitzt bereits eine Persönlichkeit, deren Kern von den stürmischen Ereignissen unangetastet bleibt und sie vor dem freien Fall bewahrt. Mit großer Genauigkeit werden hier die Folgen des familiären Zerfalls abgetastet. Dazu trägt vor allem das durchgehend hervorragende Ensemble bei, das von Julianne Moore als in die Jahre gekommene Rock-Diva über Alexander Skarsgård in der Rolle des linkischen Ersatzvaters bis hin zu der fabelhaften Onata Aprile als souveräne Zentralfigur die Charaktere mit all ihren Unvollkommenheiten nuanciert ausspielt, ohne sie einer moralischen Verurteilung zuführen zu müssen. An Maisie und ihre vier Bezugspersonen denkt man noch, wenn der Film längst zu Ende ist.

Martin Schwickert
DAS GLÜCK DER GROSSEN DINGE
(What Maisie Knew)
von David Siegel u. Scott McGehee, USA 2012, 93 Min.
mit Julianne Moore, Alexander Skarsgård, Steve Coogan, Joanna Vanderham, Onata Aprile
Drama
Start: 11.07.2013

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