Das Filmmuseum beschäftigt sich mit einer markanten Farbe

Die Röte des Rots von Technicolor

Rot ist die Farbe des Blutes, rot sind die Fahnen der Revolution und die der Türkei, rot sind die Rosen, die aus Liebe geschenkt werden, rote Lippen soll man küssen, rot sind in Hitchcocks »Der unsichtbare Dritte«  (North by Northwest) die Mützen der Gepäckträger, denen Polizisten im Bahnhof hinterher eilen, um sie auf der Suche nach Cary Grant, der sich als einer von ihnen verkleidet hat, umzudrehen und zu identifizieren. Kurz: Rot ist eine Signalfarbe, und der Film, diese plakative und hintergründige Kunst macht gerne Gebrauch von ihr.
Den Beweis dafür liefert jetzt das Deutsche Filmmuseum in einer einzigartigen Ausstellung. In einem mit roter Gaze labyrinthisch verhängten Raum sind auf elf, in Abteilungen verteilten Leinwänden Kompilationen zu den Themen Kostüm, Maske, Ghysis, Gegenstände, Set-Design und Regie zu sehen. Den Filmen von Alfred Hitchcock, Pedro Almodóvar und Nicolas Winding Refn ist jeweils eine eigene Projektion gewidmet. Allesamt liefern die Filmausschnitte schlagende Beweise für die emotionale Kraft, die dieser, auch physikalisch gesehen, besonders effektiven Farbe innewohnt. Besitzt sie doch die niedrigste Energie von allen sichtbaren Lichtstrahlen.
Die überwältigende Menge der Ausschnitte, die von den Kuratorinnen Stefanie Plappert und Daria Berten ausgewählt wurden, eröffnet jedenfalls den Besuchern eine neue Sichtweise auf Filme. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Ausstellungen, die Regisseuren (Stanley Kubrick etwas, um die erfolgreichste des Hauses zu nennen) oder einzelnen Filmen wie »Das Boot« gewidmet sind, wird im Grunde unsere Sichtweise, unsere Möglichkeiten, Filme wahrzunehmen, zum Thema. Wir stehen selbst im Mittelpunkt, auch wenn wir es vermutlich nicht bemerken. Diese Installation im Raum, wie die Veranstaltung offiziell heißt, steht wie keine der vergangenen Ausstellungen für das didaktische Konzept der Direktorin Claudia Dillmann, die Ende September in den Ruhestand treten wird. Schon seit Jahren bemüht sie sich mit Kindern und Jugendlichen um einen reflektierten Umgang mit visuellen Medien. Was bei dieser Arbeit geleistet wird, kommt jetzt auch den Erwachsenen zugute, die häufig genug filmisch Aufbereitetes für die Realität halten. Die Bilderflut ist übrigens nicht für einen Familienausflug geeignet – eine, abseits gelegene Leinwand wartet mit besonders blutigen Filmbeispielen auf.
Für den Besuch der Ausstellung sollte man sich jedenfalls viel Zeit zum Verarbeiten des Gesehenen mitbringen und man sollte sich die Karten vom Eingang mitnehmen. Auf deren roter Seite sind alle Filme aufgeführt, von denen die Ausschnitte stammen, die weiße Seite kann man für Auskünfte zu den einzelnen Themen unter den Lichtstrahl der Picobeamer halten. Informativ stöbern kann man auch im interaktiven wissenschaftlichen Web-Portal rot-webdoku.de. Unbedingt sollte man sich aber ein paar Beispiele aus der Filmreihe zur Ausstellung anschauen, die das Kino im Filmmuseum anbietet. Man wird die Filme im Blick auf ihre Farbgestaltung bewusster sehen.

Claus Wecker (Foto: ©  Uwe Dettmar/Deutsches Filminstitut)
 
Bis 13. August: Di.–So. 10–18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr
http://deutsches-filminstitut.de/filmmuseum

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