»Das Böse im Blut« von James Carlos Blake

James Carlos Blake: Das Böse im BlutEin Autor ist zu entdecken

Eine kleine Sensation darf man es nennen, dass einer seiner wichtigsten Romane jetzt endlich auf Deutsch vorliegt, dies zudem in einer grandiosen Übersetzung, die dem biblisch-epischen Ton des Originals begeisternd gerecht wird: »Das Böse im Blut« (»In the Rogue Blood«) von James Carlos Blake, erschienen im mutig-feinen Liebeskind Verlag. Ein großer Autor ist zu entdecken und mit ihm ein Hauptwerk der ›history noir‹.

Blakes Romane sind deutlich mehr als der normale Schreibtischausflug eines Schriftstellers in eine herbei recherchierte Vergangenheit. Der 1947 in Mexiko geborene James Carlos Blake, sein Ur-Ur-Ur-Großvater ein aus England geflohener Pirat, legt die Axt an die Wurzeln der moderneren Zivilisation, damit auch an die Archetypen des Kriminalromans, der eben nicht als laues Verbrechen gehobener Stände im viktorianischen ›cosy‹ England seine Wurzeln hat, sondern am Rande der Barbarei, bei der Besiedlung Nordamerikas und bei den aus Europa gekommenen Entwurzelten. Blakes Romane sind Erkundungen auf der dunklen und blutigen Seite des amerikanischen Traums, seine Protagonisten sind Verstoßene, Bastarde, Abenteurer, Außenseiter, Verbrecher und Gesetzlose. Oft sind sie historisch verbürgte Personen, etwa die Ashely-Gang der Prohibitionszeit in Florida, der Gangster Harry Pierpont und die Dillinger-Gang aus der Depressionszeit, der Missouri-Guerilla Bloody Bill Anderson, der Boxer Stanley Ketchel, der Revolverheld John Wesley Hardin, der Revolutionsgeneral Pancho Villa. Alle Blake-Romane spielen im amerikanischen Westen und Süden, auch in Mexiko, von der Mitte des 19. bis ins frühere 20. Jahrhundert.

In dem 1997 herausgekommenen »In the Rogue Blood«, dessen Adjektiv im Englischen alles Schlechte vom Unkontrollierbaren bis zum Wahnsinnigen in sich hat, tragen die beiden Brüder John und Edward Little »Das Böse im Blut«. Edward ist im Sommer 1845 sechzehn Jahre alt, als die Erzählung anhebt. In der 21. Zeile wird er Zeuge, wie sein Vater einen Mann niedersticht, weil der seine Frau zum Tanzen aufgefordert hatte, zum ersten Mal erlebt er die »rasche und vollkommene Endgültigkeit eines Mordes«. Die Buchstaben »W.N.T.«, weg nach Texas, schnitzt Edward nach dem grausigen Zerfall ihrer Familie zum Abschied in einem Baumstumpf neben dem niedergebrannten Haus. Nun beginnt sie, die große Reise zweier Helden. Sondern als Warnung an zarte Gemüter sei gesagt, dass wohl kaum eine solche Reise je so blutig und gewalttätig verlaufen ist. Die Brüder ziehen durch ein atavistisches Land, durch eine buchstäblich im Schlamm sich formende Nation. Blake schreibt schöne Landschaften, sein Roman ist auch eine in Blut getränkte Reisebeschreibung. Auf der Hälfte des Buches werden sich die Wege der Brüder trennen, der eine schließt sich Skalpjägern an, der andere den Soldaten. Im mexikanisch-amerikanischen Krieg finden sie sich als Gegner wieder, stehen sich gegenüber. John endet schrecklich, Edward schneidet ihn vom Strick und reitet mit der allmählich zerfallenden Leiche Richtung Vereinigte Staaten.

»We may be through with the past, but the past ain’t trough with us«, lautet eines der Motti in Blakes »Country of the Bad Wolfes«. Wer sich für die harte und realitätstüchtige Kriminalliteratur interessiert, findet in Blake einen ihrer wichtigsten Schatzgräber und Historiker. Als Parallellektüre empfehlen sich die bis heute nicht ins Deutsche übersetzten, überaus lesenswerten Grundlagenwerke des Kulturwissenschaftlers Richard Slotkin: »Regeneration Through Violence. The Mythology of the American Frontier, 1600–1860« (1973); »The Fatal Environment. Age of Industrialization, 1800–1890« (1985) und »Gunfighter Nation. The Myth of the Frontier in Twentieth-Century America« (1992).

 

James Carlos Blake: Das Böse im Blut (In the Rogue Blood, 1997) Roman. Dt. von Matthias Müller. München: Liebeskind 2013, 448 Seiten, € 22,00.

 

 

Die Bücher von James Carlos Blake:

The Pistoleer (1995)

The Friends of Pancho Villa (1996)

In the Rogue Blood (1997, dt. Das Böse im Blut, 2013)

Red Grass River (1998)

Borderlands, (short fiction, 1999)

Wildwood Boys (2000)

A World of Thieves (2002)

Under the Skin (2003)

Handsome Harry (2004)

The Killings of Stanley Ketchel (2005)

Country of the Bad Wolves (2012)

The Rules of Wolfe (2013)

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