Caricatura-Museum zeigt Sebastian Krügers gesammelte Werke

Die Falten von Keith Richard

Mick Jagger schätze seine Bilder nicht so sehr, weiß der in Hannover lebende Karikaturist und Maler Sebastian Krüger am Rande der ihm gewidmeten Werkausstellung des Caricatura-Museums zu erzählen. Zumindest nicht so sehr wie Keith Richard. Daraus Rückschlüsse auf die Eitelkeit der Bandleaders zu ziehen, scheint nicht ganz verkehrt. Schließlich attestiert der kongeniale Partner an der Sologitarre dem Schöpfer fotorealistischer Acryl-Porträts von ihm, Krüger kenne seine Falten und Warzen weitaus besser als er selbst. Für den Hamburger Maler und Zeichner ist Richards ohnehin seit jeher das interessantere Gesicht und wohl auch der größere Kunstkenner. Der Stones-Rocker male selbst ab und an – seine Töchter sogar leidenschaftlich. Auch Ron Wood, sagt Krüger,  beschäftige sich mit Kunst, und Charly Watts habe vor seinem Gang an die Drums immerhin Graphik studiert. Krüger ist mit den Stones schon seit den 80ern befreundet, nachdem sein Agent frisch, frech und vor allem glücklich den Kontakt herstellte, und zählt sie seither zu seinen Kunden. Mit Wood verbinde ihn sogar eine enge Freundschaft. Okay.
Zum Stones-Fan eigentlich recht spät, 1963, in Hameln geboren, hat Krüger schon als Student der Braunschweiger Hochschule als Illustrator, Karikaturist und mit Entwürfen für Plattencover dazuverdient. Unter den 207 gezeigten Arbeiten im Caricatura-Museum fallen aus seiner Frühphase die akribisch gefertigten Szenen-Collagen von Filmen etwa von Sergio Leone auf. Bekannt wurde Krüger allerdings durch seine zerrspiegelartigen Farb-Karikaturen, die ihm dicke Aufträge von Magazinen und Zeitungen bescherten, von der Managerzeitschrift Capital bis hin zu dem schrägen Hamburger Satireblatt Kowalski, für das er die Cover schuf. Alt genug war Krüger in den 80ern immerhin, das Phänomen des Immer-älter-Werden der Never-ending-Stones zu verfolgen und mit und an ihnen seinen Stil des Popart-Realismus zu entwickeln: Bilder, die wirklicher als die Wirklichkeit sind. Er gehe »altmeisterlich« vor, verrät Krüger, seine Arbeiten entstünden nicht aus einer einzelnen Aufnahme, sondern folgten mit freier Hand einer sich aus verschiedensten Ansichten speisenden Idee. Im Gegensatz zu Fotorealisten, die Projektionen nutzten, suche er das Typische im Gestus seiner Modells, ohne diese als Menschen aus den Augen zu verlieren. Ein Video im Parterre der Schau demonstriert  Krügers Vorgehen beim Erstellen eines Bildes von Michael Jackson.  
Die Götter des Pop von Madonna bis zu Johnny Rotten und Lemmy Kilmister, aber auch Politiker – meist Auftragsarbeiten – zieren die Schau, und Plattencover der Stadionpunker Tankard (»Schwarzweiß wie Schnee«). Ein Auftrag war auch das inzwischen berühmt gewordene Hitlerporträt. Die meiste Zeit habe er dafür gebraucht, eine Szene zu finden, die Hitler weder in eine seiner sattsam bekannten Herrscherposen setzt noch ihn klischeehaft dämonisiert.  »BlitzkriegAutobahnverboten, ja,ja,ja!« zeigt den Diktator in einem Moment der Entrückung. Mit sinnverlorenem Blick aus dem Zugfester hänge der an seinem Daumen nuckelnde Massenmörder vielleicht gerade einer Wagner-Ouvertüre nach, meint Krüger. Dass Hitler tatsächlich ein Daumenlutscher gewesen sei, habe er erst viel später erfahren, versichert der Künstler.

Lorenz Gatt (Foto: Sebastian Krüger)
Bis 30. Oktober. Di.–So. 11–18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr
www.caricatura-museum.de

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