Café Olympique – Ein Geburtstag in Marseille
(ab 25.12.2014 im Kino)

fr_1225-Cafe_Olympique1Eine Welt zum Staunen

»Café Olympique – Ein Geburtstag in Marseille« von Robert Guédiguian

Die Torte, die Ariane sich selbst zum Geburtstag gebacken hat, ist eine Pracht. Die Schokoladenglasur glänzt appetitlich im Schein der Kerzen. Darunter leuchten zwei Cremeschichten in rot und grün. Aber statt der Gäste trudeln nur der Blumenbote mit einem riesigen, gelben Rosenstrauß und entschuldigende Nachrichten auf dem Anrufbeantworter ein.

Der Mann ist bei einer Geschäftsreise aufgehalten worden. Die Kinder sind auf Reisen in fernen Ländern. Und so bleibt die Torte unangerührt. Ariane steckt ihren Pass ein und verlässt die Wohnung, ohne die Kerzen auszublasen. Wie zuletzt Catherine Deneuve in »Madame empfiehlt sich« reiht sie sich ein in die Riege der Filmheldinnen, die aus ihrem Leben ausbrechen, sich ins Auto setzen und einfach losfahren. Aber aus der Flucht aus dem Alltag entwickelt Robert Guédiguian in »Café Olympique« kein feminines Road-Movie, sondern ein mediterranes Filmmärchen, das sein Abenteuer nicht auf der Straße, sondern im magischen Umgang mit der Realität sucht. Im nahegelegenen Marseille ist Arianes Reise schon zu Ende. Dort im Niemandsland hinter den Hafenanlagen und Raffinerien liegt das Café Olympique, das für die flüchtige Jubilarin zum Exil wird.
Bunte Plastiktischdecken, abgesessene Bistrostühle, ein grantiger Wirt, dessen betagte Kundschaft mittags in Reisebussen herangeschafft wird – kein Paradies, aber dennoch strahlt das einfache Restaurant am Meer auf Ariane einen eigenwilligen Zauber aus, und sie wird schnell aufgenommen in die illustre Gemeinschaft, die sich hier zusammengefunden hat: ein pseudoamerikanischer Schriftsteller, der atemberaubende Aphorismen zum Besten gibt, der melancholische Besitzer des Bistros mit einer Schwäche für Chansons von Jean Ferrat, der ehemalige Wächter des Naturkundemuseums, der nachts den verlorene Seelen der Tiere hinterherweint, die wild gelockte Gelegenheitsprostituierte, deren amouröser Pragmatismus ihren Geliebten um den Verstand bringt und eine Schildkröte, die nie um einen Antwort verlegen ist. Wie ein rothaariger Engel rauscht Ariane in diese kauzige Gesellschaft hinein, hilft nicht nur als Kellnerin im Restaurant, sondern auch den Menschen in all ihren verzwickten Lebenslagen und wächst dabei weit über sich hinaus. Robert Guédiguian, der sich bisher eher mit sozialkritischen Filmen wie »Schnee am Kilimandscharo«“ oder »Marius und Jeannette – Eine Liebe in Marseille« einen Namen gemacht hat, legt den Ausbruch seiner Heldin aus ihren familiären Strukturen nicht als Emanzipationsgeschichte an. Irgendwo zwischen »Alice im Wunderland« und »Out of Rosenheim« findet der Film seinen eigenen skurril-märchenhaften Erzählton, der mehr auf das episodische Erleben als auf kathartische Veränderungsprozesse ausgerichtet ist. Dabei macht er sich den staunenden Blick seiner Hauptfigur zueigen, die von Guédiguians Ehefrau und Muse Ariane Ascaride als offenherzige Traumwandlerin gezeichnet wird. In ihrer Haltung zur Welt erinnert ihre Ariane sogar ein wenig an eine gereifte Version der Amélie, mit der einst Jean-Pierre Jeunet sein Publikum verzauberte.

Martin Schwickert
 
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CAFÈ OLYMPIQUE – EIN GEBURTSTAG IN MARSEILLE (Au fil d‘Ariane)
von Robert Guédiguian, F 2014, 92 Min.
mit Ariane Ascaride, Jean-Pierre Darroussin, Gérard Meylan, Jacques Boudet, Anaïs Demoustier, Youssouf Djaoro
Drama
Start: 25.12.2014

Für eine Preview des Films in der untertitelten Originalfassung am Montag, 22. Dezember, um 20.30 Uhr in der Harmonie am Lokalbahnhof verlosen wir 10 × 2 Freikarten.
Rufen Sie uns am Montag, d. 22.12., ab 10 Uhr unter der Tel.-Nr. 069/97 07 41 99 an.
Restkarten sind an der Kasse zu erwerben.

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