Der Butler (Start: 10.10.2013)

Der Butler (Start: 10.3.2013)Am Ende wird alles gut

»Der Butler« von Lee Daniels

Gewiss doch, dies ist ein episches Melodrama, das seine schmerzhaft-frohe Botschaft wie ein Banner vor sich her trägt, das immer zur richtigen Zeit auf die Tränendrüse drückt und im richtigen Moment Versöhnung bereit stellt, das sich in seiner beschaulich-konventionellen Erzählart ganz auf seine Schauspieler verlässt, eine schwarze, aber auch reduzierte Variante von »Forrest Gump« (wie es der Regisseur Lee Daniels selber sieht), die Geschichte eines im Herzen reinen Menschen, den es durch die Epochen der amerikanischen Geschichte treibt.

»Der Butler« ist ein Film, der es sich und seinen Zuschauern nicht zu schwer machen will, zwischen Geschichtspanorama und Familiendrama, und der die Geschichte von Sklaverei, Willkür, Mord, Ausbeutung und Unterdrückung und die von der Anpassung, des passiven Widerstands, der Bürgerrechtsbewegung, der militanten Rebellion, der zivilen Emanzipation der Afroamerikaner bis zu dem Augenblick zu goutieren, als der erste Mann mit schwarzer Hautfarbe ins Weiße Haus zieht. »Der Butler«, das ist eher ein nationales, politisches und gesellschaftliches Statement, eine bessere Art von Leinwandpatriotismus als es Fahnenschwenker aus der Katastrophenabteilung oder militaristische Emanzipationsphantasien wie »Red Tails« sind, als eine cineastische Offenbarung, die man sich nach »Precious« vielleicht erwartet hätte. Aber: »Der Butler« ist trotzdem ein wichtiger, ein, bei genauerem Hinsehen, sehr reicher und manchmal auch ein sehr bewegender Film.

Es beginnt mit einem traumatisierenden Erlebnis: Der junge Cecil Gaines wird Zeuge, wie der weiße Herr der Baumwollplantage, auf der die Familie schuften muss, zuerst die Mutter vergewaltigt und dann den Vater erschießt. Die Mutter des Mörders (von einer Vanessa Redgrave gespielt, die hinter der Versteinerung das verschüttete Empfinden erahnen lässt) nimmt den Waisen in ihr Haus, aus dem »fieldnigger« wird der »housenigger« – und Cecil wird, nachdem er von der Plantage geflüchtet ist und ein Unterkommen als Kellner in einem Restaurant gefunden hat, für die unbedachte Benutzung dieses Begriffs eine Ohrfeige kassieren. Cecil wird von einem Politiker als perfekter Diener entdeckt, einer, der die Kunst versteht, nichts zu hören und nichts zu sehen, sondern nur zu dienen, einer, der die Wünsche der weißen Herren schon verstanden hat, bevor sie sie äußern. Und so wird Cecil Gaines Butler im Weißen Haus, dienend den amerikanischen Präsidenten, ihren Gästen und ihren Familien, von Eisenhower bis Ronald Reagan. Und am Ende erlebt er als alter Mann noch die Einsetzung von Barrack Obama und eine späte Ehrung im Weißen Haus.

Die große Kontinuität dieses Lebens von Cecil, der immer hofft, dass seine Arbeitgeber sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Afroamerikaner einsetzen (und sie tun’s, auch wenn in nur sehr kleinen Schritten und gegen heftigen Widerstand), ist gebrochen an den Konflikten mit seinem Sohn, der sich als Student dem gewaltlosen Widerstand verpflichtet, immer wieder zusammengeschlagen und verhaftet wird, bis er sich den Black Panthers anschließt, diese aber wieder verlässt, als man offen die Bereitschaft zum Mord verlangt. Zur Versöhnung kommt es erst ganz am Ende, als der Vater sich einem Protest gegen die Unterstützung der »Apartheid« anschließt.

Im Zentrum dieses Vater/Sohn-Konflikts steckt der Widerspruch zwischen einer sanften und einer rebellischen Form der Emanzipation. Cecil ist zweifellos ein Mensch, der durch seine Güte und seine Verständigkeit seine weißen Arbeitgeber verändern konnte. Aus der Sicht der Aktivisten, die Veränderung schneller und nachhaltiger verlangen, hat er indes durchaus Züge eines »Onkel Tom«, ein sentimentales Anhängsel ihrer Herrschaft, der nicht einmal in der Lage ist, durchzusetzen, dass im Weißen Haus schwarzen und weißen Angestellten der gleiche Lohn gezahlt wird. Aus Cecils Sicht ist sein Sohn Louis anmaßend und respektlos; er scheint der verlorene Sohn der Familie. Aber wirklich verloren wird der andere, der jüngere Sohn. Er stirbt in Vietnam. Dass sich am Ende des Films beide Wege, der sanfte Weg der Angleichung und der harte Weg der Auflehnung, so problemlos miteinander versöhnen lassen, ist vielleicht ein wenig zu gut gemeint, und das Ghetto kommt in diesem Film nicht vor. Und doch entspricht es wohl einer historischen Wahrheit, dass die weitere Emanzipation von einer Auflösung des Uncle Tom/Black Panther-Widerspruchs abhängt.

»Der Butler« ist nicht umsonst ein solcher Erfolg in den USA. Der Film kommt der historischen Wahrheit des Rassismus und der ersten Kapitel seiner Überwindung so nahe wie es in einer Mainstream-Produktion nur möglich ist. Und zumindest in der ersten Hälfte wird auch nichts beschönigt und kaum etwas ausgelassen.

Dass der Film dann aber doch mehr ist als das richtige Statement zur richtigen Zeit, liegt in seinen Darstellern (und gewiss an einem Regisseur, der sie motiviert hat). Forest Whitaker ist so umwerfend in seiner Präsenz und Tiefe, dass man sich schon schwer wundern müsste, wenn das keinen Oscar gibt. In seinem Cecil erkennt man über die 130 Minuten zugleich, wie sich unter Schmerzen und Mühen ein Blick verändert, und wie sich das Gewicht der Geschichte bei ihm in Körper und Seele sammelt. Aber auch die vielen kleinen Miniaturen, etwa die Präsidenten-Darsteller von Robin Williams bis Alan Rickman und, ein kleines Meisterstück der Verkennung: Jane Fonda als Nancy Reagan, die den Butler und seine Frau als Gäste zum Bankett einlädt, bleiben im Gedächtnis. Und anders als die von Forest Gump ist die Geschichte von Cecil Gaines auch wirklich wahr.

Georg Seeßlen
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DER BUTLER (The Butler)
von Lee Daniels, USA 2013, 132 Min.
mit Forest Whitaker, Oprah Winfrey, John Cusack, Jane Fonda, Cuba Gooding Jr., Vanessa Redgrave
nach Artikel, vonWil Haygood
Biopic
Start: 10.10.2013

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