»Bridge of Spies« von Steven Spielberg

Mit dem Urinstinkt der Pioniere

Auf den ersten Blick scheint es ziemlich absehbar, was in diesem Film passiert, und vor allem, wie es passiert. Eine Geschichte aus dem Kalten Krieg, das meiste davon mehr oder weniger auf wirklichen Geschehnissen basierend, von Steven Spielberg inszeniert, mit Tom Hanks in der Hauptrolle, mit Ruinenstädten des Ostens, mit viel Regen und Schnee und mit der ratternden S-Bahn in Berlin, mit verbohrten CIA-Männern und mehreren saftigen Erkältungen und mit etlichen politischen Grundsatzdebatten, die mit Metaphern aus dem Alltagsleben geführt werden.

Das kann nur eines jener liberalen Americana ergeben, in denen sanfte Ironie gegenüber Vorstadt-Kleinbürgertum, Karriere und Anpassung, moderate Kritik an allzu viel Staatsräson und politischem Kalkül sich mit einem Bekenntnis für ein zivilgesellschaftliches, freiheitliches und mit einem untrüglichen Sinn für ein mit Praxis gesegnetes Amerika verbinden. Das ist so sympathisch wie typisch für die Erwachsenen-Filme von Steven Spielberg. Was schon eher fraglich ist: Was mag Joel und Ethan Coen, die Co-Autoren des Drehbuchs, an dem Stoff gereizt haben? Oder anders herum: Muss man vielleicht ein bisschen genauer hinschauen und vor allem -hören, um die dann doch außergewöhnlichen und überraschenden Qualitäten dieses Films zu erkennen?
Jedenfalls gibt es ein paar ›running gags‹ und Dialog-Pointen, die direkt ins Coen-Country führen könnten, und die zweite Hauptfigur ist überhaupt ausgesprochen Coen-affin. Mehr zu verraten wäre indes unfair. Wichtiger ist wohl, dass »Bridge of Spies« ein ziemlich klares Statement des liberalen Hollywood zurzeit ist. Es besagt, um es auf einen schlichten Nenner zu bringen, dass Menschlichkeit wichtiger ist als Prinzipien, die Demokratie wichtiger als die Macht. Und dass CIA-Agenten Holzköpfe sind.
Es ist die Geschichte eines gerissenen Anwalts, James B. Donovan, den Tom Hanks mit seinem wunderbar dackelförmigen Charme natürlich mustergültig darbietet. Er ist auf Versicherungsfragen spezialisiert und hat sich dabei einen bescheidenen Wohlstand erworben. Eher beiläufig erfahren wir dann, dass er einst bei den Nürnberger Prozessen beteiligt war. Eines Tages bekommt Donovan einen leicht vergifteten Auftrag: Er soll Verteidiger des überführten russischen Spions Rudolf Abel sein. Und, natürlich, er nimmt die Aufgabe entgegen den Wünschen seiner Familie und dem Ratschlag seiner Freunde an, und er nimmt sie ernst, entgegen der Erwartung seines Arbeitgebers und des Gerichts. Donovan will kein Alibi für ein von vorneherein feststehendes Urteil sein, auch wenn er dadurch einer der meist gehassten Menschen in der Stadt New York wird. Und dann kann er schließlich erreichen, dass Abel nicht hingerichtet, sondern für den Fall eines notwendigen Austausches als Geisel bewahrt wird. Die Gelegenheit kommt, als der Pilot Francis Gary Powers bei seinem Spionageflug über der Sowjetunion mit seiner U2 abgeschossen wird. Außerdem ist da noch ein junger amerikanischer Student, der, durch den Mauerbau überrascht, zur falschen Zeit am falschen Ort war und von den ostdeutschen Behörden inhaftiert wird. Donovan wird zum Unterhändler für einen Gefangenenaustausch bestimmt, und es ist eine dieser Missionen, bei denen einem als erstes mitgeteilt wird, dass niemand von ihr wissen wird, wenn sie schiefgeht. Wir hingegen wissen ja, wie die Sache ausging, im Großen und Ganzen. Die humanistische Botschaft aber ist, dass diesem Helden wider Willen Menschenleben wichtiger sind als die Staatsräson. Und dass er dafür sein Leben, seine Existenz, sogar die Liebe seiner Familie aufs Spiel setzt. ›An american hero, that is.‹
Tom Hanks ist in diesem Film das demokratische, liberale Amerika, das ganz gewiss nicht ohne Fehl und Tadel ist, aber mit dem Urinstinkt der Pioniere immer wieder zurückkehrt zu den Werten, die sich zu verteidigen lohnen. Dabei geht es nicht um die Einhaltung des formalen Rechts. Das zeigt Spielberg in einer seiner kleinen aber doch bedeutenden Abweichungen vom historischen Geschehen. Das entscheidende Plädoyer für das Leben des Angeklagten, das in Wirklichkeit im Gerichtssaal stattgefunden hat, verlegt er in das Haus des Richters – der Rechtsverstoß, den der Film Donovan unterstellt, gehört nicht nur zur typisch Spielbergschen Intimisierung der Politik, er zeigt auch, dass es am Ende auf etwas anderes ankommt. Es ist ein Hauch des »Young Mr. Lincoln«, der James P. Donovan da beflügelt, und der ihn trägt durch Widerstände und Gefahren und durch die metaphorischste Erkältung der Filmgeschichte.

Ansonsten kann man diesen Film auch genießen, weil er so ganz und gar Spielberg und Coen und Hanks ist, will sagen, ein Werk, in dem man in jeder Einstellung merkt, dass die Menschen, die es sich ausgedacht und inszeniert haben, wirklich lieben, was sie tun. Stimmungen, Charaktere, Licht- und Farbwechsel, in allem steckt, neben der Absicht etwas sichtbar zu machen, was knapp unterhalb der »offiziellen Geschichte« liegt, auch ein enormes Kinoempfinden. Es ist, als hätte Spielberg zeigen wollen, auf wie viele Effekte, Tricks und Konventionen man verzichten und trotzdem eine packende und dichte Kino-Geschichte erzählen kann. Mehr Anti-Bond geht nicht. Und das ist wohl auch ein Statement des Regisseurs, der in jüngeren Jahren vergeblich versucht hat, sich für einen Film der 007-Serie zu positionieren, und der heute froh darüber sein kann. Denn besseres Mainstream-Kino als in »Bridge of Spies« findet man derzeit wohl kaum.  

Georg Seeßlen (Foto: © Twentieth Century Fox)
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BRIDGE OF SPIES: DER UNTERHÄNDLER (Bridge of Spies)
von Steven Spielberg, USA 2015, 141 Min.
mit Tom Hanks, Mark Rylance, Sebastian Koch, Scott Shepherd, Amy Ryan, Alan Alda
Drama
Start: 26.11.2015

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