Michael Robotham

Michael Robotham, international crime writervisiting London26Michael Robothams Politthriller »Der Insider«

Folge dem Geld!

»Follow the Money«, was der als »Deep Throat« bekannt gewordene Insider den beiden Reportern der »Washington Post« in der Watergate-Affäre immer wieder einzubläuen suchte, das gibt auch den Ariadnefaden in Michael Robothams Politthriller »Der Informant«. Der Originaltitel »The Wreckage« verweist auf den riesigen Trümmerhaufen, in dem Robotham hier gräbt: Es geht um den Irak, um den »Krieg gegen den Terror« und um die dabei selbstverantwortete Zerstörung westlicher Werte durch eigene Hand. Robotham erwähnt nebenbei die wahre Geschichte eines Taliban-Führers, der nach drei Tagen Folter weinend zusammenbricht: »Ich weine für mein Land, aber am meisten für eures.«

In Robothams »Insider« geht es um gewaltige Summen Geldes, die im Irak-Krieg in undurchsichtigen Kanälen versickert sind, und um Fragen, die besser niemand stellt. Politische Thriller, die als realitätstaugliche Spannungsliteratur aus der akuten Gegenwart ihre Funken schlagen und dabei unsere google-gestützte Halbinformiertheit nicht beleidigen, sind selten geworden. Immer mehr wurden sie in den letzten 20 Jahren, seit dem Ende der alten Weltordnung, zu einer aussterbenden Gattung. Kaum zehn Titel im Jahr sind es heute noch, die an das Niveau von Eric Ambler, Alan Furst, Robert Littell, Ross Thomas, Charles McCarry und die guten Zeiten von John le Carre oder Brian Freemantle heranreichen und nicht altbackene Phantasien mit irgendwelchen Superagenten bedienen, die »den Westen retten« und es »den Bösen« zeigen.

Der Traditionen des Polit-Thrillers-Genres bewußt – und ihnen auch gewachsen – zeigen sich heute nur noch sehr wenige Autoren: Einer von ihnen ist der Amerikaner Olen Steinhauer, der über ein Jahrzehnt in Osteuropa gelebt hat und dessen CIA-Trilogie »Der Tourist« und »Last Exit« gerade mit »An American Spy« ihre Abrundung findet (eine deutsche Übersetzung ist noch nicht angekündigt). Auch David Ignatius, einer der wohl am besten informierten Journalisten Washingtons gehört dazu, bekannt(er) dürfte er durch die Verfilmung seines Romans „Der Mann, der niemals lebte“ geworden sein (mit Leonardo DiCaprio und Russel Crowe, der per Handy auf dem Weg zum Kindergarten »seinen« Agentenkrieg dirigiert). Sein jüngstes Buch »Der Deal« heißt im Original »Blood Money« und beschäftigt sich damit, wie der Krieg gegen den Terror jemals zu beenden sei.

Nun stößt auch der Australier Michael Robotham in diese Liga vor. Bisher konnte er mit seinen psychologisch raffinierten, glaubwürdig entwickelten und beziehungskomplexen Thrillern »Adrenalin«, »Amnesie«, »Todeskampf«, »Dein Wille geschehe« und »Todeswunsch« überzeugen. Der ehemalige Journalist, der sich als »Aussie« im Londoner Presse-Dschungel behauptete, hat für »Der Informant« gründlich recherchiert. Sein Thriller funktioniert als ›stand alone‹. Das Schöne für Robotham-Leser aber ist, wie er seinen politischen Stoff mit den beiden Protagonisten seiner »zivilen« Thriller verknüpft. Es sind dies der an Parkinson erkrankte Psychologen Joe O’Laughlin und der grummelige, illusionslose Ex-Polizist Vincent Ruiz. Ein kleiner Diebstahl ist in London der Auslöser, der Ruiz auf eine immer blutiger werdende Spur setzt. Im Irak sind es Banküberfälle, die dort den Journalisten Luca Terracini interessieren. Zumindest läßt »jemand« es so aussehen: gesprengte Gebäude, verkohlte Bankbeamte, erschossene Wachleute, eine Spur von Gewalt, der nachzugehen brandgefährlich ist und die für Luca Terracini zur Obsession wird. Er trifft dabei auf eine UN-Rechnungsprüferin, die mit ihren Mitteln den ungeheuren Geldströmen folgt, die eigentlich dem »Aufbau« des Landes gelten.

Ein gutes Dutzend Figuren verwebt Robotham zu einem in jeder Hinsicht starken Erzählstrang. Im großen Stil verschwindet für den Wiederaufbau des Landes bestimmtes Geld. Robotham notiert: »Zwölf Milliarden Dollar wurden als Banknoten im ersten Kriegsjahr in den Irak geliefert, um das Land zusammenzuhalten, das Chaos zu verhindern. Aber es gab keine Übersicht oder Kontrolle. Ich habe Auszahlungen in Papiertüten, Pizzaschachteln und Seesäcken gesehen. Bargeld wurde in Privatautos durch die Stadt kutschiert, Betrug wurde ein Synonym für ›Business as usual‹. Eine Zeitlang erhielten mehr als 8.000 Sicherheitsleute Gehaltsschecks, obwohl man nur 600 aktive Mitarbeiter fand. Halliburton hat täglich 42.000 Mahlzeiten für Soldaten abgerechnet, tatsächlich nur 14.000 serviert.

Als (wahres) Beispiel für das Chaos im Irak mögen hier die weltweiten Presseberichte vom 12. Juli 2007 dienen (googlen erlaubt): Drei Wächter einer Sicherheitsfirma hatten danach in Bagdad 282 Millionen US-Dollar (205 Millionen Euro) aus einer Bank geraubt. »Es ist damit vermutlich der größte Bankraub aller Zeiten«, meldeten die Nachrichtenagenturen. Niemand regte sich sonderlich auf, ebenso wenig wie über das Dementi am nächsten Tag, als das irakische Innenministerium verkündete, nicht 282 Millionen US-Dollar, sondern lediglich 282 Millionen irakische Dinar seien erbeutet worden, umgerechnet 22.500 US-Dollar. Allerdings, so das Ministerium, erbeuteten die Bankräuber noch rund 366.000 US-Dollar. Die Berichte dazu erschienen nicht in den Politikteilen der Zeitung, sondern unter »Vermischtes«, es gab dazu auch keine Analyse. Alles schien möglich im Irak. Na und?

Robotham macht auch diese unsere Indifferenz zum Thema: »Glauben Sie wirklich, die Story wäre ein echter Knüller – eine lächerliche Verschwörungstheorie über Banküberfälle im Irak und eine britische Bank? In einer Woche kümmert das niemanden mehr«, sagt einer seiner Protagonisten. »Es interessiert die Leute nicht mehr. Nachrichten aus dem Irak oder Afghanistan langweilen sie, so wie sie sich irgendwann mit Vietnam, Watergate, dem Iran-Contra-Skandal, der Weltfinanzkrise und der Ölpest im Golf von Mexiko gelangweilt haben«, meint Luca, der Journalist. Trotzdem bleibt er, in gewissem Sinne wohl ein ›alter ego‹ Robothams, an der Sache dran. Mit der UN-Rechnungsprüferin Daniela diskutiert er nebenbei über Heisenbergs Unschärferelation: ob denn die Beobachtung eines Ereignisses das Ereignis an sich verändere. Ihn beschäftigt auch der Unterschied zwischen beobachtetem und geteiltem Schmerz: »Beobachtender Schmerz ist der Schmerz der Journalisten, zuzusehen und zu berichten, ohne sich emotional einzumischen.« Luca fragt sich, ob so jemand etwas Besseres sei, als die, die die Gewalt ausüben. »Böse Samariter, lautet dafür der Begriff«, meint er.

Eine der Qualitäten des gut übersetzten Buches zeigt sich darin, daß Robotham auch »die Bösen« differenziert und in ihrem Familiengefüge zeichnet. Für ihn ist das Private politisch. »Von den Reichsten bis hin zu den Ärmsten beginnt und endet alles mit der eigenen Familie«, endet der Roman. Robotham ist ein Familienmensch, hat drei Töchter. Ein Thriller ist für ihn keine kalte Reißbrettzeichnung, das macht er mit seinem bislang politischsten Buch erneut klar.

 

Die Bücher von Michael Robotham:
Der Insider. Goldmann Verlag, München 2012. 540 Seiten, 14,99 Euro.
Adrenalin (The Suspect, 2004)
Amnesie (Lost, 2005)
Todeskampf (The Night Ferry, 2007)
Dein Wille geschehe (Shatter, 2008)
Todeswunsch (Bleed for Me, 2010)
Bombproof (2010, unübersetzt)

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