»Birdman« ab 28.1.2015 im Kino

Birdman (ab 29.1.2015 im Kino)Es war einmal ein Superman

»Birdman« von Alejandro González Iñárritu

Ex-Batman Michael Keaton hat hoch gepokert und gewonnen: neun Oscarnominierungen in den Hauptkategorien können nicht täuschen. Die schwarzhumorige Satire über die existentielle Krise eines Hollywoodstars, der auf dem Broadway ein Comeback erhofft, bietet ein »Wow«-Erlebnis, wie man es lange nicht gehabt hat.

Ein Schauspieler, der vor einer Generation als Superheld mit Flatter-Cape legendär wurde, spielt einen Schauspieler, der einst als gefiederter Superheld seinen größten Erfolg feierte – und nun als Charakterdarsteller am New Yorker Broadway seiner Karriere neuen Schub verleihen will. Es ist schon ein ziemlich genialer Coup, diese Nummer Michael Keaton anzuvertrauen, der als »Batman« gegen Ende der Achtziger dem Superheldengenre zu neuer Blüte verhalf. Er spielt Riggan Thomson, der buchstäblich einen Vogel hat, nämlich sein ›alter ego‹ »Birdman«, dessen Schatten im Verlauf der tumultuösen Theaterproben immer größer wird.
Regisseur Alejandro González Iñárritu hat schon in vorigen Werken wie »Amores perros« und »Babel« bewiesen, dass er es heiß mag. Wie kein anderer nimmt er seine Protagonisten in den Schwitzkasten und verdichtet laue Gefühle zu existentiellen Nöten. Und so werden auch die Schauplätze dieser schwarzhumorigen Farce, die im Wesentlichen aus Bühne und Backstagebereich bestehen, zu einem Treibhaus der Emotionen. Riggan, der als Regisseur und Darsteller in Personalunion ein Stück von Raymond Carver inszenieren will, muss wegen eines Probenunfalls, der den Hauptdarsteller außer Gefecht setzte, den Bühnenstar Mike Shiner engagieren. Neben dem unberechenbaren Shiner setzen ihm auch seine Tochter und Assistentin Sam, die gerade einen Drogenentzug hinter sich hat, seine Freundin und Bühnenkollegin Andrea, die unsichere Mitspielerin Lesley, der leidgeprüfte Manager Jake und seine ab und an hereinschneiende Exfrau zu. Und während die Uhr bis zur Premiere tickt, lauern draußen die Hyänen: intellektuelle Theaterkritiker, die nur darauf warten, den Hollywoodstar in Stücke zu reißen. Drinnen, in Riggans Hirn, bedrängt ihn derweil die arrogante Stimme von »Birdman«, der für Riggans Bemühungen und das Herumzicken seiner Mitstreiter nur Verachtung übrig hat. Und dann ist da stets die Panik, wie ein Ikarus abzustürzen …
Der bis in die Nebenrollen starbesetzte Film ist zunächst eine Satire auf den Narzissmus von Schauspielern und die Eitelkeit des Kulturbetriebs, auf den Konflikt zwischen Kunst und Kommerz. Er beleuchtet dabei auch den Generationenwandel, weg vom Starschnitt in den Printmedien und hin zum kurzlebigen Celebrity-Hype via Internet. Geradezu körperlich spürbar wird Riggans inneres Chaos aber durch die sensationelle Kameraarbeit von Emmanuel Lubezki. Zuvor erzeugte der oscarprämierte Lichtkünstler angesichts der galaktischen Unendlichkeit in »Gravity« Gänsehaut; nun heftet er sich mit beweglicher Kamera und ohne sichtbare Schnitte an die Darsteller. In dem bruchlosen Hin und Her in den klaustrophobischen Backstage-Fluren werden Tag und Nacht eins. Auch dank surrealer Einschübe hat man das Gefühl, durch Riggans Gehirnwindungen zu driften. Dank dieses hypnotischen ›stream of consciousness‹ wird sein Drama zu einem allzumenschlichen, in dem sich die alte Frage nach dem Sinn allen menschlichen Strebens neu stellt: Zähle ich auch etwas, wenn ich auf der Showbühne des Lebens nicht Tausende von Likes bekomme?

Birgit Roschy
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BIRDMAN (ODER DIE UNVERHOFFTE MACHT DER AHNUNGSLOSIGKEIT)
von Alejandro G. Iñárritu,
USA 2014, 119 Min.
mit Michael Keaton, Zach Galifianakis,
Edward Norton, Andrea Riseborough,
Amy Ryan, Emma Stone
Tragikomödie
Start: 29.01.2015

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