Ausblick Schauspiel Frankfurt: Patrycia Ziolkowska gibt in »Amphitryon« ihr Frankfurt-Debüt

Das kommende Ach

Ach! Was ist nicht schon alles über dieses »Ach« geschrieben worden! Über den Ausruf der Alkmene, mit dem Heinrich von Kleists »Amphitryon« endet! Am Schauspiel Frankfurt ist die l aut Duden »Betroffenheit, Verwunderung, Bedauern oder Ähnliches« – oder Ähnliches! – ausdrückende Interjektion dem neuen Ensemble-Mitglied Patrycia Ziolkowska anvertraut, die vom Thalia Theater in Hamburg gekommen ist. Und die der eine oder die andere bei den Wiesbadener Maifestspielen 2016 in Luc Percevals Zola-Bearbeitung »Liebe« gesehen hat. Weit mehr werden die blondgelockte 38-Jährige bestimmt aus Filmen kennen. Aus Fatih Akins ausgezeichneten Kinofilm »Auf der anderen Seite« etwa, der in Cannes 2007 Premiere hatte.
Die Rolle der Alkmene wird ihr Debüt in Frankfurt, das allein deshalb so spät ausfallen muss, weil sie am Thalia noch für die Zola-Trilogie Percevals verpflichtet war. Natürlich wird sie den Teufel tun, ihr kommendes Ach auch noch vorab zu kommentieren. Ohnehin seien die Proben mit Regisseur Andreas Kriegenburg noch nicht so weit, dass man sich im Ensemble den dritten Akt schon richtig einverleibt hätte, sagt sie im Gespräch. Auf dieses Durchdringen des Textes komme es bei der vielschichtigen und musikalischen Verssprache Kleists aber an. Es sei ein schmaler Grat, auf dem man sich mit diesem Stück bewege, diene doch als Vorlage das Verwechslungsspiel von Molière, aus dem Kleist ein Identitätsdrama gemacht habe.
Die Handlung ist schnell erzählt: Weil es Jupiter langweilig ist (»Auch der Olymp ist öde ohne Liebe«), nimmt er die Gestalt des aushäusigen Kriegers Amphitryon an, um dessen schöne nichtsahnende Alkmene zu besitzen, was ihm zu beider Freude auf das Göttlichste gelingt. Doch gibt sich Jupiter auch dann noch als Amphitryon aus, als der echte in der Tür steht. Weil sein Götter-Buddy Merkur mit der Charis, der Frau des Dieners Sosias genauso verfährt, gerät die Welt auch bei Subalternen aus den Fugen. So weit, so lustig ist das Thema beim Franzosen, so ernst und existenziell wird es beim Deutschen.
Alkmene liebe ihren Mann entschieden und wahrhaftig und sehe in Jupiter immer nur das, was ihr Amphitryon sei, erläutert Ziolkowska und zitiert aus deren Gespräch mit Charis: »Eh will ich irren in mir selbst (…). Nimm Aug und Ohr, Gefühl mir und Geruch, mir alle Sinn und gönne mir das Herz: So lässt du mir die Glocke die ich brauche.«. Alkmene berufe sich auf »ihr innerstes Gefühl«, das Bewusstsein ihrer eigenen Identität, und gleichzeitig setze auf das Schmerzlichste der Zweifel ein am eigenen Ich.
Verhandelt werden diese Krisen der Sterblichen im Schauspielhaus in einem eher abstrakt-modernen, metropolitanen Umfeld (Bühne. Harald B. Thor), das New York oder Paris sein könne.
Den Amphitryon gibt Max Simonischek, denJupiter Fridolin Sandmeyer. Das Dreiecksverhältnis im zweiten Glied besteht aus Sebastian Reiss (Merkur), Friederike Ott (Charis) und Christoph Pütthoff (Sosias), was unter Andreas Kriegenburgs poetischem Zugriff (»Diener zweier Herrn«, »Stella«, »Die Möwe«, »Glaube, Liebe Hoffnung«, »Der Sturm«) nichts weniger als ein weiteres Schauspieler-Festival verspricht.

Winnie Geipert (Foto: © Joachim Gern)
Termine: 9., 19, 23. Februar 19.30 Uhr, 11. Februar 16 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de

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