Ausblick Schauspiel Frankfurt: Felicia Zellers »Zweite Allgemeine Verunsicherung«

Die nächsten letzten Tage der Menschheit

Als Mitglied des ersten Regiestudios am Frankfurter Schauspiel hat Johanna Wehner Ausrufezeichen gesetzt. »Die Geierwally« (Wilhelmine von Hillern), aber auch Elfriede Jelineks »Macht nichts« halten sich im Langzeitgedächtnis ihrer Besucher. Die prompte Berufung zur Schauspielchefin am Theater Konstanz hält die Bonnerin nicht von weiteren Engagements ab. In Wiesbaden gelang ihr mit der Alice-Munro-Bearbeitung »Die Kinder bleiben« (Strandgut 11/2015) eine der rheinmain-weit stärksten Inszenierungen der Saison. Wer irgend kann, sollte die Dernière am 4. Februar nicht versäumen.
Im Kammerspiel steht für Wehner nun die Uraufführung von Felicia Zellers »Zweite Allgemeine Verunsicherung« an. Wie zuvor die herrliche Groteske »X-Freunde«, so ist auch das neue Stück der in Berlin lebenden Schwäbin eine Auftragsarbeit für Frankfurt. Zeller hat eine an der Alltagskommunikation orientierte Sprache zu ihrer Marke gemacht und wurde mit dem Alkoholikerinnen-Protokoll »Bier für Frauen« und »Kaspar Hauser Meer«, einem Drama über überforderte Sozialarbeiterinnen, bekannt.
Ihre neue Produktion ist nicht minder grotesk und lässt die Welt untergehen. Freilich hält das die im Show- und anderen »Bizinessen« angesiedelten narzisstisch-depressiven Charaktere nicht davon ab, sich weiter vornehmlich mit sich selbst zu beschäftigen. Mit dem Aussehen, mit der eigenen Figur oder mit Fragen nach der Ernährung. Es gehe um Ängste und Depressionen, um Reizüberflutung und Kontrollzwänge und um »Bin ich zu dick, zu jung, zu alt?«, sagt Wehner. Zellers als Textfläche aufbereitete Vorgabe sei ein Abziehbild unserer Gesellschaft, deren Mitglieder dabei sind, sich im Abwägen ihrer Milliarden von Möglichkeiten ins Sinn-Aus zu katapultieren. Alles Wissen um die Klimakatastrophe halte niemanden davon ab, weiter Auto zu fahren. Nicht zuletzt deshalb werde bestimmt viel gelacht, ist sie sicher. Auch wenn es zum Heulen ist, schließen wir mal daraus.
Johanna Wehner hat sich mit Bühnenbauer Volker Hintermeier auf ein postapokalyptisches Szenario verständigt. Ein Hohlraum, eine geborstene Röhre etwa werde der Ort sein, an dem sie diese letzten Tage der Menschheit noch einmal Revue passieren lasse. Ein trostloses Umfeld, das in krassem Widerspruch zu den Gedanken der Protagonisten stehen werde. Bizarr, schräg, gewiss aber auch ernüchternd. Eine Endzeitwelt mit Menschen, die alles verspielt haben, wie in Samuel Becketts »Warten auf Godot«.
Mit Constanze Becker und Verena Bukal sind die Frauenfiguren herrlich konträr profiliert. Auch die Männer, Vincent Glander, Martin Rentzsch und Till Weinheimer, kommen aus der ersten Reihe des Hauses.

Winnie Geipert (Johanna Wehner, © Birgit Hupfeld)
Termine:  19., 20. Februar, 20 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de

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