Ausblick Gallus-Theater: E9N zeigt »Mein Freund Gulliver«

Hallo, hallo: Ist das die Irrenanstalt?

Die Entstehung der modernen Welt und ihres Denkens bleibt das Thema von Wilfried Fiebig. Auf Denis Diderot und »Rameaus Neffe« (Strandgut 05/2015) lässt der bildende Künstler, Hochschulprof und bis zum Geht-nicht-mehr philosophisch beschlagene Theatergründer wie -macher jetzt das Ensemble 9. November auf Jonathan Swift und »Gulliver’s Reisen« (1726) los. Der irische Autor, ein allseits gebildete Gottesmann, entwickelte gut 50 Jahre vor dem französischen Aufklärer einen derart beißenden Scharfblick, dass man seine Arbeit lange Zeit nur als Kinderbuch auszuhalten in der Lage war. So abnorm.
Wilfried Fiebigs Bearbeitung »Mein Freund Gulliver. Aufgeführt durch die Insassen des Ensembles 9. November« reflektiert mit einem kleinen Gruß an Peter Weiss (»Die Verfolgung und Ermordung des Jean-Paul Marat«) auch dies. So werden sich, dies sei schon verraten, seine Darsteller in langen weißen Anstaltsunterhosen mit kindlichem Gemüt, den Mitteln des Spiels und der Kunst dazu anschicken, die Abenteuer des Titelhelden Station für Station nachzuerleben. Von Lilliput und Blefuscu über Brobdignag, Laputa und sogar Japan bis in das Land der weisen Pferde, der Houyhnhnms, und der für sie schuftenden menschenähnlichen Yahoos. Kein Ort darunter, an dem nicht die englische Gesellschaft aus dem Zerrspiegel blickt oder der Fortschritt auf den Prüfstand kommt. Genforschung, Organtransplantation, Molekularbiologie – in vielem haben wir Gullivers verrückte Welt längst überholt. Dass Gulliver, den zunächst ein Sturm in die Fremde verschlug, wie nebenbei die Entstehung des Welthandels nachzeichnet, versteht sich fast schon von selbst.
Fiebig stattet die Trips des zweiten großen Touristen der Weltliteratur – der erste war Odysseus – mit seinen selbstentwickelten Kunstobjekten aus und unterlegt sie mit Musik und Choreografien. Als Anstaltsinsassen gehen Verena Dik, Janina Karthaus,  Ruth Klapperich, Eric Lenke und Claudio Villardo auf die Reise. Selten im Nachteil ist dabei, wer lesen kann und dies auch tut.

gt (Foto: E9N)
Termine; 27., 28., 29. April sowie 3.–7. Mai , jeweils 20 Uhr
www.gallustheater.de

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