Anna Katharina Fröhlich: »Der schöne Gast«

Anna Katharina Fröhlich: Der schöne GastEin Kroate im Kräutergarten

Die ersten Jahre ihres Lebens hat Anna Katharina Fröhlich hier in Frankfurt, auf der anderen Seite unserer Straße verbracht. Die Nachbarschaft sah zu, wie sie laufen lernte. Als 2004 ihr erster Roman »Wilde Orangen« erschien, sah ich, dass aus dem Kind eine Schriftstellerin geworden war. Ihr Vater, Hans J. Fröhlich, ein renommierter (Hanser-) Autor, veröffentlichte u.a. 1975 den Roman »Im Garten der Gefühle«. Es geht offensichtlich, bei Vater wie bei Tochter, um das gleiche Grundstück. Nur erzählt die Tochter jetzt ihren Traum wie ein Märchen aus vergangenen Zeiten.

Es hätte alles so schön sein können. Ein idyllischer Landsitz am Gardasee, ein indischer Diener, eine große Bibliothek und alles von den Altvorderen geerbt. »Die Tagesstunden galten der Haus-und Gartenarbeit, die Abendstunden der Lektüre«, schreibt die nicht mehr ganz junge Ich-Erzählerin. Häufig allerdings fürchtet sie sich abends vor »den stillen, einsamen Stunden«. Gerne würde sie sich an eine starke männliche Schulter lehnen. Ein Glück, als sie auf einem Fest in der Nähe, einen großen blonden Mann »mit einem eindeutigen Hang zum Exzentrischen« begegnet. Der etwas altmodische Mann mit Stil und besten Manieren, zieht bald zu ihr, doch schon nach einem Jahr, weiß sie, »dass mein Leben mit der Gegenwart eines Mannes unvereinbar war«. Trotzdem sehen sie sich noch häufig. Die Frau hat sehr extravagante Vorstellungen vom Leben, die sie auch originell zu formulieren weiß. Die Männer, die ihr so vorschweben, sind »Husaren, Gardekavalleristen, Duellanten und Draufgänger mit hochanständigem Herzen«. »Dass meine Mutter nicht am Hof von Versailles mit dem Herzog von Orléans… Millionen durchgebracht hatte, war trostlos genug, mich aber dann auch noch in diesem dürren Zeitalter auf die Welt zu bringen, das war unverzeihlich.« Die Ich-Erzählerin hasst Enttäuschungen, »wo doch mein ganzes Leben für die Täuschung gemacht war« – und eine begegnet ihr plötzlich in der Gestalt eines sehr jungen Kroaten. Ein Dichter ohne Namen, er will sie unbedingt kennenlernen, denn er hatte ihren einzigen veröffentlichten Essay »Über den Staub« gelesen und gab sich begeistert. Der Essay zeigt autobiographische Züge. Sie ist nämlich eine fanatische Ordnungsliebhaberin und putzt leidenschaftlich gern. »Neben der Liebe ist Glanz eine der wertvollsten Erscheinungen auf dieser Welt. … Aus der blank geriebenen Schale geht etwas in (die Putzfrau) über, was sie zum Singen bringt.«

Wie ein Frühlingsgewitter bricht der schöne Kroate in ihre Welt ein. Sie ist diesem Aufschneider sofort verfallen. »Er war zum Lachen komisch, dieser Dichter, zum Weinen tragisch«, und sie fragte sich, »was er in meinem Leben zu suchen hatte.« Sie wusste auch gleich die Antwort: er wirbelte ihr bis dahin beschauliches, aber auch etwas langweiliges Leben mit Tieren, Pflanzen, Kräutern und Büchern, heftig durcheinander. Er, der »Unverschämte, Schamlose, Undankbare« machte ihr klar: »Nein, ich wollte nicht klug, weise und gemessen sein, ich wollte vom Leben wie ein Nadelkissen von den Nadeln durchstochen, durchstickt und durchwirkt werden“. Der Kroate verlangt ständig Geld, erniedrigt und beschimpft sie, befiehlt dann plötzlich: verlasse diese Gegend, heirate mich! Der indische Diener, der das alles mitansieht, bietet eine drastische Lösung an: »In meiner Heimat stopfte man solchen Gockeln den Mund mit Schweinemist.« Dass das Leben mit »einem Engel, der ein Teufel« war, nicht gutgehen kann, ist ihr klar. Nach einer letzten dramatischen Nacht trennen sie sich, doch sie wird vor Sehnsucht nach dem »Fachmann auf dem Gebiet blitzender Blendung« krank. Eines Nachts liegt er dann wieder neben der fiebernden Erzählerin im Bett, doch der Inder findet jetzt eine ultimative Lösung.

Dieser Roman bietet also eine ganze Menge: einen hohen Ton, die bildreiche Sprache, Pathos, Poesie und Leidenschaft, auch blumige Formulierungen und einige (eher unfreiwillig komische) Weisheiten. Ich habe ihn gerne gelesen.

Sigrid Lüdke-Haertel
Anna Katharina Fröhlich: »Der schöne Gast«
Roman, Berlin: Hanser Berlin, 2014, 239 S., 18.90 €

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