»Animals – Stadt Land Tier« von Greg Zglinski

Eine surreale Krise

Es gibt Millionen von Filmen zu diesem Thema: ein Mann und eine Frau. Wenn sie sich kennenlernen, ist es meistens eine romantische Komödie, neben dem Thriller das beliebteste Genre, und wenn sie sich trennen, ein Drama. Was aber liegt dazwischen? Was passiert, wenn eine Krise in der Luft liegt, wenn eine Trennung möglich scheint? Davon handelt der Film »Animals – Stadt Land Tier«, dessen Originaltitel schlicht »Tiere« heißt und der wohl der ungewöhnlichste Film des Jahres ist.

Verliebt sind Anna (Birgit Minichmayr) und Nick (Philipp Hochmair) längst nicht mehr. Anna, die Kinderbuchautorin, ist misstrauisch geworden, weil sich das Verhalten ihres Mannes verändert hat. Und tatsächlich vertuscht Nick seinen Seitensprung mit Nachbarin Andrea. Um also wieder zueinander zu finden, wird eine Auszeit in den Schweizer Alpen vereinbart. Eine junge Frau, Mischa, soll derweil in Wien die Wohnung des Paares hüten.
Als Anna und Nick endlich aufbrechen wollen, versucht Andrea Nick zurückzuhalten. Und als ihr dies nicht gelingt, stürzt sie sich aus dem Fenster. Unterdessen ist das Paar unterwegs in hügeligem Gelände. Mit dem Spiel »Stadt Land Fluss« beschäftigt, überfährt Nick ein Schaf, das auf der Straße steht. Nach einem (vielleicht auch nur vermeintlich) kurzen Krankenhausaufenthalt scheint sich allerdings die Wahrnehmung der Eheleute verschoben zu haben. Im abgelegenen Ferienhaus glaubt Anna (und mit ihr der Zuschauer), dass gerade einmal ein Tag vergangen ist, während Nick von mehreren Tagen spricht.
Anna plant, in aller Ruhe ihr erstes Buch für Erwachsene zu schreiben, und Nick sammelt Rezepte zu vergessenen Schweizer Gerichten, um sie in einem Buch zu veröffentlichen. Doch Anna hält es nicht in der Berghütte. Bei einem Ausflug in die Stadt glaubt sie Nick zu sehen, wie er eine Eisverkäuferin küsst. Auch sein Treffen mit einem Koch scheint vorgetäuscht.
Der polnische Regisseur Greg Zglinski war vor Jahren von dem Drehbuch des mittlerweile verstorbenen Jörg Kalt fasziniert. Seine Faszination spürt man jetzt auch in seiner Verfilmung. In ihr setzt er bei den Vorstellungswelten seiner Protagonisten an, und er gibt ihnen aufregende Bilder.
Psychologisch gesehen handelt »Animals« nämlich nicht nur von einer oder auch mehreren Beziehungskrisen, die einen befremdlichen Verlauf nehmen, sondern ganz besonders auch von unseren Projektionen, also von dem, was wir im Anderen zu sehen meinen, und er führt diese Projektionen ad absurdum. Die Schauspielerin Mona Petri spielt, jeweils etwas unterschiedlich aufgemacht, Andrea, Mischa, der in Wien ebenfalls Seltsames widerfährt, und die Eisverkäuferin. Das ergibt einen surrealen Effekt à la Buñuel, der in »Dieses obskure Objekt der Begierde« das Entgegengesetzte unternahm und eine Rolle mit zwei Schauspielerinnen besetzte, die abwechselnd die Szene betraten.
Man könnte jetzt meinen, der Film nehme den Zuschauer nicht ernst, doch das Gegenteil ist der Fall. Weil auch die Ironie nicht zu kurz kommt, ist »Animals – Stadt Land Tier« intelligentes und höchst vergnügliches Kino.

Claus Wecker
ANIMALS – STADT LAND TIER (Tiere)
von Greg Zglinski, CH/A/PL 2017, 95 Min.
mit Birgit Minichmayr, Philipp Hochmair, Mona Petri, Mehdi Nebbou, M. Ostrowski
Drama / Start: 16.11.2017

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