Null kleine Negerlein (78)

Es ist ja nicht nur das Buch von Otfried Preußler. Es heißt »Kleine Hexe« und enthält das Wort »Negerlein«, »Chinesinnen« kommen aber auch drin vor. Betroffen sind zudem die gesammelten Werke von Mark Twain, in denen des öfteren sogar von »Niggern« die Rede ist. Es gilt auch für die ganze Welt von William Faulkner mit »Yoknapatawpha County« und ihrer Kreisstadt »Jefferson«, wo es von Negern nur so wimmelt, hauptsächlich, weil sie da gewohnt haben – in diesem erfundenen ehemaligen Indianerland in den Südstaaten.

Es gibt zudem einen Abzählreim, der »10 kleine Negerlein« heißt und endet, »da war es nur noch eins«. Ein Krimi von Agatha Christie heißt im Deutschen so – im Original hieß er »Ten Little Indians«, was die Frage aufwirft, ob »Indians« nicht doch eher »Native Americans« heißen sollen.
Dann gibt es noch »Makkaronis«, die unschwer als Italiener zu erkennen sind, »Krauts«, was sich ebenso von selbst erklärt wie »Schweinshaxe«. Es gibt »Schlitzaugen«, »Kümmeltürken«, »Hottentotten« und den »perfiden Albion«.

Und es gibt die Bibel, die bereits eine mit öffentlichen Geldern durchgeführte Übertragung in eine »gerechte« Sprache erfahren hat (vor allem, um die Frauen zu befreien), die glücklicherweise keiner liest.
Der Preußler Verleger Klaus Willberg will nun »Die kleine Hexe« in gerechter Sprache erscheinen lassen, was die rabiate Entfernung aller Neger und Chinesinnen (?) aus dem Text bedeutet. Tja, und dann wundert sich der Mann, daß nach seiner Ankündigung ein »Shitstorm« auf ihn hereinprasselt, wo er doch nur etwas Gutes tun – und »veraltete und politisch nicht mehr korrekte Begrifflichkeiten« ersetzen wollte. Selbstverständlich werden die Änderungen – wie heutzutage üblich – von »Fachleuten« durchgeführt und nicht von Word mit dem Befehl Strg-H.

Was der Herr Willberg nicht versteht, ist offenbar, daß die Umbenennung den zugrundeliegenden Sachverhalt nicht aus der Welt schafft, daß sein Unterfangen eine ziemliche Respektlosigkeit gegenüber dem Werk ist und daß er dieses damit nicht nur seiner Geschichte beraubt. Denn ein Buch ist ein Kunstwerk, dessen Bilder mit Wörtern gemalt sind; und wenn man Wörter auswechselt, entsteht ein anderes Bild, von dem Leute wie Willberg behaupten, es sei dasselbe (oder sogar besser, moderner als die Vorlage). Ist es aber nicht. Es ist eine Fälschung.

Es kommt doch auch keiner auf die Idee, das Rotbraun von Rembrandt auszuwechseln, weil dessen Ingredienzien womöglich von Sklaven auf den niederländischen Antillen stammen. Oder doch?

Kurt Otterbacher

2 Kommentare zu “Null kleine Negerlein (78)”

  1. Liebe Redaktion, lieber Kurt Otterbacher,

    ich schreibe Ihnen bezüglich Ihrer Kolumne „Altern für Anfänger 78: Null kleine Negerlein“.
    Die Debatte um das Streichen des Wortes „Neger“ aus Kinderbüchern wie der Kleinen Hexe konnte man bereits in den Medien verfolgen. Besonders berührt hat mich der Leserbrief an eine Tageszeitung eines kleinen Mädchens, dessen Vater aus Afrika stammt (u.a. hier zu lesen: http://www.publikative.org/2013/01/23/neunjahrige-schreibt-brief-an-zeit/)

    Ohnehin bin ich der Ansicht, dass es definitiv keiner Fälschung des Werks oder gar einer Respektlosigkeit, wie Sie es schreiben, nachkommt, wenn nicht zeitgemäße und höchst diskriminierende Begriffe aus Kinderbüchern gestrichen werden.

    Wenn ich mir diese Aussage erlauben darf: Herr Otterbacher ist vermutlich weiß, Deutsch und keine 25 mehr – wie ich dem Titel der Kolumne „Altern für Anfänger“ entnehme. Als älterer weißer Mann ist es ziemlich einfach über Rassismus zu urteilen und wen diesen betreffe, wenn man ihn selbst nie erfahren hat (dies gilt übrigens ebenfalls für Homophobie, Sexismus, etc.). Warum überlassen Sie dieses Urteil nicht Menschen, die es wirklich betrifft und lassen diese zu Wort kommen?
    Rassismus und Diskriminierung, die Betroffene durch den Gebrauch von Wörtern wie „Neger“ erfahren, scheint für Sie aber kein Problem darzustellen. Ein weiteres Zeichen dafür, wie sehr alltäglicher Rassismus ein strukturelles Problem in unserer Gesellschaft darstellt.

    Den Vergleich, den Sie zu einem Rembrandt Gemälde darstellen, ist schlichtweg lächerlich. Farbe, die womöglich von Sklaven hergestellt wurde, überzumalen oder ein (ich wiederhole mich) sehr verletzendes Wort schlichtweg zu ersetzen sind zwei gundverschiedene Dinge und zeigen, dass Sie den Kern dieses Problems nicht verstanden haben.

    Wir leben nicht mehr im Deutschland von 1957 und das ist gut so. Unsere Gesellschaft ist vielfältig und sollte entsprechende Toleranz an den Tag legen. Natürlich ist „Die kleine Hexe“ ein Kulturgut und ein tolles Kinderbuch. Aber liegt die Kraft von Kunstwerken nicht in dem Potenzial, das sie in verschiedenen Kontexten zu verschiedenen Zeiten entwickeln können? Das Potenzial der kleinen Hexe liegt sicherlich nicht darin, aufzuzeigen, dass man damals nun einmal Neger gesagt hat und das sei ja auch nicht so schlimm, schließlich steht das auch in anderen Büchern, usw. Das Potenzial dieses Kinderbuches sollte vielmehr darin liegen, dass auch die Väter und Mütter von Kindern wie dem kleinen wütenden Mädchen (siehe Leserbrief) ohne schlechte Gefühle aus dem Buch vorlesen können – wäre das nicht ein zeitgemäßes Zeichen von Toleranz und Respekt?

    Schade also, dass Sie in einem Magazin für Kunst und Kultur einen solch unreflektierten Beitrag drucken.

    Marie Beckmann

  2. Ich möchte noch dringend auf ein weiteres literarisches, sexistisches Machwerk hinweisen, das von Frau Claudia Roth Korrektur gelesen werden müßte. Urheber ist der ehrenwerte Mr. William M. Thackeray, es trägt den Titel Barry Lyndon und beginnt mit dem Satz: „Seit Adams Tagen hat es kaum ein Übel in dieser Welt gegeben, hinter dem nicht eine Frau gesteckt hätte.“
    Desweiteren empfehle ich dringend, den Namen des ehemaligen Mainzer Volkssängers Ernst Neger aus sprachmatischen Gründen posthum in Ernst Dunkelmann zu ändern.

    Mit den besten Grüßen

    Herbert Debes

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