Steinbrück (76)

Steinbrück, der Kanzlerkandidat der SPD, ist angegriffen worden, weil er so viel Geld als Redner verdient. Unklar blieb, ob es die Art war, wie er das Geld verdiente – also das Reden, die Menge des erzielten Geldes oder eine Mischung aus beidem – man also unsittlich findet, daß einer mit Quatschen so viel Geld macht. Würde Steinbrück als Nachfolger von Gottschalk auftreten, hätte niemand etwas dagegen, denn Gottschalk verdient hauptsächlich damit sein Geld.

Das Redenschwingen, d.h. das Dramatisieren eigener oder fremder Texte mithilfe von Körpersprache, Intonation und »Kunst«pausen, ist im Prinzip das Handwerk von Schauspielern wie Politikern, mit dem Unterschied, daß Schauspieler es lernen müssen, Politiker es sich mühsam selbst beibringen – wozu aber viele nicht in der Lage sind. Demnach würde mich nicht wundern, wenn Martin Schulz neidisch auf die Redekunst von Steinbrück wäre. Andererseits muß Schulz neidisch auf jeden sein – er repräsentiert sozusagen (wie Claudia Roth) den untersten Pegelstand der Redekunst, Steinbrück dagegen ist Oberklasse mit einem Hauch von Demagogie und einer Prise von hanseatischer Arroganz.

In der letzten Rede, die ich von ihm gehört habe, brachte er das Problem Europa auf den folgenden Punkt: »Wir haben 2000 Milliarden Euro für die Wiedervereinigung ausgegeben, sollte uns da Europa nicht 100 Milliarden wert sein?« Das mit den 100 Milliarden ist zwar Blödsinn, weil wir das ohnehin bereits jährlich hinlegen, aber als »Redewendung«, als reine Rhetorik, war es großartig.
Man könnte annehmen, daß Steinbrück ein idealer Kanzler wäre, einer, der zur Not mit seinem Gaul in die Schweiz reitet, um dort die Tresore der deutschen Steuerhinterzieher aufzusprengen – nur mit der Kraft seiner Stimme – und dabei im Alleingang die zusätzlichen 100 Milliarden Euro einsammelt, mit denen er anschließend Europa rettet.

Na ja – und dann habe ich eine Dokumentation zur West-LB Pleite gesehen. Letztere hat den Steuerzahler viel Geld gekostet – wegen Fehlern eher von Politikern als von Bankern.
Da stand so ein WDR-Reporter vor Steinbrück und sagte: »Sie waren doch damals im Aufsichtsrat der West-LB. Tragen Sie da nicht eine ..«. Steinbrück fällt dem Mann barsch ins Wort: »Ich war nie im Aufsichtsrat.« Reporter verdutzt: »Aber ich habe es schriftlich.« Steinbrück: »Ja, aber ich habe an keiner Sitzung teilgenommen.«
Und da dachte ich, der Steinbrück sollte vielleicht beim Redenschwingen bleiben. Da verdient er auch mehr.

Kurt Otterbacher

 

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