18. goEast 2018 – Festival des mittel- und osteuropäischen Films

Sascha hat eine Kolchose in der russischen Provinz übernommen. Leider fehlt dem jungenhaften Mann die Durchsetzungskraft, die er als Chef braucht. So gibt er sofort nach, als ihm die örtliche Behörde nahelegt, den Betrieb zu verkaufen. Alles sei bereits geregelt, er brauche nur noch zu unterschreiben und bekomme einen Batzen Geld, wenn er in die Stadt ziehe.
Unwillkürlich denkt man an Andrej Zvyagintsevs 2014 in Cannes aufgeführtes Meisterwerk »Leviathan«, wo ein Haus am See dem Besitzer zum Verhängnis wurde. In »A Long and Happy Life« (Dolgaya schastilvaya zhizn, 2013 auf der Berlinale gezeigt) von Boris Khiebnikov, dem goEast ein Porträt widmet, gerät Sascha unter den Druck seiner Arbeiter, die um ihren Job fürchten. Sie beginnen mit einer Mini-Revolution, einer Parodie auf die einstige vom russischen Oktober, wenn man so will. Sascha widerruft den bereits geschlossenen Vertrag und läuft anscheinend in sein Verderben. Hier erhält der Albtraum ein vermeintlich positives Ende, das jedoch alle Fragen offenlässt.
»The Line« von Peter Bebjak spielt 2007 in der östlichen Slowakei, an der ukrainischen Grenze, kurz bevor die Slowakei dem Schengen-Raum beitritt. Regen Zigarettenschmuggel organisiert Bandenboss Adam. Als er sich weigert, Drogen zu schmuggeln, gerät er unter Druck des Obermafioso, dem er Geld schuldet. Bei dem Schmuggel von Flüchtlingen fliegt Adams Bande auf. Der spannende Thriller, der bereits im letzten Juli beim Karlovy Vary International Film Festival lief, ist offensichtlich für den internationalen Markt bestimmt, auf dem osteuropäische Filme immer noch einen schweren Stand haben.
Eine Brücke zu bauen und den Bekanntheitsgrad derartiger Filme zu erhöhen ist auch in diesem Jahr Sinn und Ziel von goEast
Ein besonderes Festival-Thema zum 50-Jährigen wird »Prag 1968« sein. Im »East-West Talent Lab«, dem Nachwuchsprogramm wird jungen Filmtalenten die Möglichkeit geboten, neue Projekte zu entwickeln, sich zu vernetzen und mit Ideen auf sich aufmerksam zu machen. Im »Open Frame Award« konkurrieren acht experimentelle Virtual-Reality- und -Grad-Projekte aus Mittel- und Osteuropa sowie aus dem Rhein-Main-Gebiet um die Auszeichnung. Besonders wichtig ist dabei, dass Künstlerinnen und Künstler aus Mittel- und Osteuropa durch Ausstellungen in Frankfurt (Filmmuseum) und Wiesbaden (Museum) bekannt werden können. In der von der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« (EVZ) geförderten Sektion »OPPOSE OTHERING!« stehen ethisches Filmemachen und die Integration von Minderheiten im Bereich der audiovisuellen Industrie im Vordergrund.
Im großen Wettbewerb, nach wie vor die Hauptsektion, konkurrieren 16 Filme, zehn davon sind Spielfilme, um Preise für den Besten Film, die Beste Regie, für kulturelle Vielfalt und um den Filmkritiker-Preis (FIPRESCI). Festivalkino ist die Caligari Filmbühne am Wiesbadener Marktplatz, dazu kommen Murnau Filmtheater und Apollo Filmcenter in der Landeshauptstadt, in Frankfurt das Deutsche Filmmuseum, in Mainz Palatin und Capitol, in Darmstadt das Programmkino Rex und das Kinocenter in Gießen.

Claus Wecker (Foto: »The Line«)
Termin: 18. bis 24. April
Das komplette Programm unter www.filmfestival-goeast.de.

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